52 km nach Lütgenbömmel

„Das Ziel ist orange.“ So endet jeder TorTour-Newsletter, den wir von Ricarda und Jens bekommen. Wir wollen Mitte Mai bei der TorTour de Ruhr den Bambinilauf laufen… wenn die TorTour denn überhaupt stattfindet. So wirklich weiß das wohl keiner. Niemand hat eine Ahnung, wie es weitergeht und wie sich in den kommenden Wochen und Monaten alles weiterentwickelt. Nichtsdestotrotz trainieren wir für den Bambinilauf bei der TorTour. 100 km vom Hengsteysee bis zum Rheinorange an der Ruhrmündung in Duisburg. Das wird dann Kerstins zweiter 100er. Seit Anfang Januar hat nun unser Training dafür begonnen. Wir versuchen, an jedem Wochenende einen Marathon oder Ultra zu laufen. Und ab und zu legen wir eine Ausruhwoche ein. Mit dieser Art der Vorbereitung habe ich 2018 „den Langen“ ja schon gut geschafft und nun möchten wir uns genauso auf die anstehenden 100 Kilometer vorbereiten. Drei lange Läufe haben wir im Januar bereits absolviert und nun steht Ende Januar der vierte MaraUltra an: 52 km von Welver nach Lütgendortmund. Mit Komoot basteln wir eine passende Strecke zusammen. 52 km von unserer Haustür bis nach Lütgendortmund, wo wir am Tag vorher bei Kerstins Eltern unser Auto platzieren, damit wir nach dem Ultra auch wieder nach Hause kommen.

Nach einer total verregneten Woche ist das Wetter an diesem Samstag eigentlich gar nicht schlecht. Es ist trocken, zum Teil sogar sonnig, aber recht kalt. Der Wind hat in der Nacht auf Ostwind gedreht. Er bringt die Kälte mit, aber er schiebt uns auch nach Westen in Richtung Dortmund. Wir starten morgens nach dem Frühstück und gelangen nach drei Kilometern auf den Alleen-Radweg, eine alte Bahntrasse, die von Welver bis nach Unna führt. Das heißt… es geht gefühlt stundenlang einfach geradeaus. Das ist gut zu laufen, aber eine Herausforderung für den Kopf und für das Durchhaltevermögen. Wir schauen beim Laufen geradeaus und können „am Horizont“ das Ende des Radwegs gar nicht sehen. Er verschwindet irgendwie im Dunst. Dadurch hat man das Gefühl, gar nicht voran zu kommen, weil sich das Bild vor uns überhaupt nicht wirklich verändert. So traben wir vor uns hin und genießen es, wenn die Sonne ein bisschen rauskommt und wir ihre Wärme am Körper spüren.

Nach 23 Kilometern kommen wir in Unna an. Die nette Damenstimme von Komoot leitet uns an der City vorbei und lässt uns zigmal alle paar hundert Meter links oder rechts abbiegen. Wir lachen uns immer wieder über ihren Dialekt kaputt, wenn sie anstelle von „Weeeg“ einfach nur kurz „Wäck“ sagt. „Folge dem Wäck für 300 m!“ oder so. Dieses „Wäck“ haben wir uns schon so angewöhnt, dass wir uns lachend genauso unterhalten. „Irgendwo da vorne muss gleich ein Wäck kommen!“ oder „Jetzt geht’s über einen Feldwäck!“.

Wir passieren den Kurpark in Unna-Königsborn und von hier aus führt uns unser Wäck in Richtung Wäckede… äh… Wickede natürlich. 😉 Ab hier laufen wir für rund 10 km neben der S-Bahn her auf einem Radwäck. Unterwegs treffen wir Wolfgang und seine beste Ehefrau der Welt, die uns walkend entgegenkommen. Ein kurzer Stopp auf Abstand und uns wird wieder schnell bewusst, welche komischen Zeiten wir haben. Normalerweise hätten wir uns zur Begrüßung in den Armen gelegen, weil wir uns schon lange nicht mehr gesehen haben. Aber jetzt stehen wir in 2 m Entfernung und sprechen ein paar Worte miteinander. Wir sind uns einig darüber, dass es höchste Zeit wird, dass wieder normalere Zeiten kommen. Nur befürchten wir, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis dieser Punkt erreicht sein wird. Wie oben schon geschrieben… niemand kann es vorhersagen. Bis alles wieder normal ist, ist es noch ein langer Wäck.

Unterwegs finden wir immer wieder Graffitis, die wir als Aufmunterung oder Ansporn wahrnehmen. Läufe mit applaudierenden Zuschauern haben wir ja schon ein ganzes Jahr nicht mehr. Also saugen wir uns die benötigte Energie einfach aus diesen Bildern.

Zusätzliche Energie bekommen wir in der Dortmunder Innenstadt bei meiner Tochter Marie, die uns mit zwei Gläsern Cola versorgt. Ein kurzer Tankstopp und schon geht es weiter in Richtung Westpark und von hier aus über Dorstfeld und Marten nach Lütgenbömmel (Lütgendortmund auf Dortmunderisch). Auf unserer Strecke erleben wir Dortmund auf alle möglichen Arten. Es geht durch schöne Parkanlagen, durch die südliche Innenstadt mit enganeinander liegenden Stadthäusern und eben auch durch etwas runtergekommene Viertel, in denen viel Unrat in der Gegend rumliegt. Dortmund ist eben eine Großstadt… mit allem drum und dran.

Von Marten aus laufen wir die letzten Kilometer wieder durch eine Parkanlage und hier genießen wir wieder die Natur. Und dann können wir Lütgendortmund endlich schon sehen. Wir kommen über die Lütgendortmunder Straße in den Stadtteil hinein und stellen verwundert fest, dass es hier nur ordentlich bergauf geht. Mit dem Auto merkt man das hier gar nicht so doll, aber mit mehr als 50 Kilometern in den Beinen schnaufen wir uns zu Fuß ganz schön die Straße hoch.

Und dann sind wir endlich am Ziel. 52 km immer Richtung Westen. Unser Ultra von Welver nach Lütgenbömmel ist geschafft. Mit dem Trinkrucksack auf dem Rücken ist so ein „Von-hier-nach-da-Lauf“ ein kleines Abenteuer. Inklusive Strecke suchen, Fotos machen, Eigenversorgung und ein bisschen Aufregung vorher. Einfach etwas Besonderes.

Damit haben wir unseren Monat Januar mit 308 Laufkilometern abgeschlossen. Unser Training läuft gut und wir sind glücklich und zufrieden, dass wir unser Hobby auch in Coronazeiten ausleben können. Andere Sportarten haben es da nicht so einfach. Laufen geht eben irgendwie immer. Wir passen uns der Situation einfach an und „erfinden“ unsere Events selbst. So werden wir auch weiter laufen, erstmal in Richtung Pfingsten und in Richtung „Orange“. Und dann kommen die nächsten Abenteuer. Es läuft immer weiter. Irgendwie. Und mit einer positiven Einstellung und ohne Rumgejammer und Rumphantasterei werden wir uns allen Herausforderungen stellen. Wir sind Ultras. Wir können das. Und nicht vergessen: Das Ziel ist orange! Und der Wäck ist das Ziel! 😉

Kerstin und Frank

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