Zwei Mal hatten Claudia und ich bereits am Traildorado teilgenommen, jener „legendären“ 24h-Trailrunning-Party, die Michele Ufer und Heiko Thoms mit ihrem Team nun schon zum 4. Mal auf die Beine stellten. Das erste Mal hatten Claudia und ich über 100 km laufen wollen, es mit damals 105 km am Glörsee auch geschafft. Dabei hatten wir das Event schätzen gelernt. Die tolle Verpflegung, die netten Leute und die vielen Laufkontakte und Gespräche machten uns das Wochenende unvergesslich. Im vergangenen Jahr lag der Traildorado für mich taktisch ungünstig in der Vorbereitungszeit auf den Frankfurt-Marathon. Auch trug ich mit zwei eigenen Vorträgen über die 100 km von Biel und den K78 in Davos zum Begleitprogramm bei. Damals entschied ich, für mich ein „Mini-Trainingslager“ aus der Veranstaltung zu machen. Zwei Mal am Tage lief ich 4 Runden volles Tempo, um die Tempohärte zu fördern. Einmal in der Nacht gemeinsam mit Claudia, da war es halt ein wenig Grundlage. Da ich auch in diesem Jahr wieder in Frankfurt starten und dort eine gute Zeit laufen möchte, stellte sich die Frage, was ich machen sollte. Es widerstrebt mir, einen 24h-Lauf mit so wenigen Kilometern wie 2015 zu bestreiten. Die Tempoeinheiten hatten mir damals aber gut getan. Da bot sich die Staffelmeisterschaft an. In einer Staffel kitzelt man ja im Zweifel immer etwas mehr heraus.
So etwas reizt mich auch als Sozialexperiment. Dass man in einer Marathonstaffel harmoniert – klar. Man sieht sich ja kaum. Aber 24h Wechselschicht bei allen Bedingungen – vielleicht erwischt einer ja immer die Regenphasen oder so – können schon andere Anforderungen an die Teamfähigkeit von uns Einzelsportlern stellen. Kurze Ruhephasen in nach trocknenden Läufersachen riechenden Jugendherbergszimmern, Schnarcher, lärmende Wechsel. Ich wollte das einmal erleben. Also hörte ich mal bei uns in der Ausdauerschule nach. Es war nicht einfach, die klassischen Straßenläufer für so ein Event zu begeistern. Aber dann hatte ich mit Martin und Birgit zwei aus dem Umfeld der Ausdauerschule gefunden. Den dritten im Bunde hatten wir letztes Jahr in Frankfurt unterwegs aufgelesen, nach dem Ausfall meines Begleiters Dominik hatte ich Chris dann in seinem ersten Marathon zu einer 3:21 gepaced. Man bleib via FB in Kontakt und Chris sagte zu, aus dem Rhein-Main-Raum anzureisen und das Team zu komplettieren.
Alles stand, dann kommt das Leben dazwischen. Zunächst stand für Chris ein beruflicher Auslandsaufenthalt an. Er sagte zwei Monate zuvor ab. Ersatz wird hier schon schwierig. Aber man kennt ja genug Leute über Facebook und auch persönlich. Zunächst hatte mit Kosta ein weiterer Läufer aus unserem Ausdauerschulen-Kreis zugesagt, musste diese berufsbedingt aber schon kurzfristig wieder zurückziehen. Jan sagte mir via FB dann zu. Man kannte sich nicht persönlich, das macht das Experiment interessanter. Dann fiel auch noch Birgit verletzt aus. Aber sie hatte gleich mit Rainer einen Vereinskollegen als Ersatz motiviert und erklärte sich bereit, dennoch das Wochenende mit uns beim Traildorado zu verbringen. Ich ernannte sie umgehend zur „Teamchefin“. Den Kopf voll mit anderen Laufveranstaltungen und unseren Trainingsprogrammen kamen wir erst in den letzten Tagen dazu, uns via FB-Gruppe mit den Planungen zu befassen und uns vorzustellen.
Als Referenzzeiten hatte ich meine Temporunden vom Vorjahr. Aufgrund unserer aktuellen Laufzeiten war ich wohl der langsamste von uns, also schien das ein guter, vorsichtiger Ansatz. Ich hatte im Vorjahr 24 Minuten für eine schnelle Runde gebraucht. Der erste Gedanke, tagsüber eine Stunde und in der Dunkelheit 1 1/2 Stunden zu laufen, musste also mit diesen Referenzzeiten zu Ende gedacht werden. Also einigten wir uns im Netz darauf, zunächst tagsüber 2 Runden zu laufen. Dann würden wir sehen, wo wir zeitlich landen würden.
Gemeinsam mit Marco fuhren wir also am Samstag los, wir hatten uns für 10 -10:30 Uhr mit der Staffel verabredet. Wir kannten die Lokalitäten ja schon vom Vorjahr und bezogen schnell unser Zimmer und die Betten. Wir waren alle in benachbarten Zimmern untergebracht, Rainer konnten wir noch in unserer „Stube“ unterbringen. Eine viertel Stunde vor dem für 11:15 Uhr angesetzten Briefing treffen wir uns im Frühstücksraum und besprechend die Teamtaktik. Irgendwie ware wir sofort auf einer Wellenlänge, obwohl nur Martin und ich, Birgit und ich und Birgit und Rainer sich vorher kannten. Es gab keinen Stress, wer anfängt und wer zum Ende läuft, auch meine „Extrawürste“ wegen meiner vom Veranstalter festgelegten Vortragstermine sorgten nicht für Missmut. Die Eröffnungsrunde läuft Michele immer als „Safety Car“ vorweg, alle sollen die Strecke kennen lernen, keiner darf ihn überholen. Ich schlug vor, diese Runde zusätzlich zu laufen und danach zwei Runden Vollgas zu gehen. Mir war schon klar, dass ich wohl der langsamste von uns vieren sein würde. Birgit, leider verletzt, übernahm ab diesem Moment die Regie. Denn fortschreiben, wer wann läuft und nachhören, wer wann Pausen braucht, kann am Besten ein „Nichtläufer“. Alle waren einverstanden, denn damit stünde im groben wieder unser ursprünglcher „Ein-Stunden-Plan“. Zu den wilden Klängen von „I want to move it“ aus den Madagascar-Filmen ging es auf die Eröffnungsrunde, die hielt gleich eine böse Überraschung bereit. Der schon im vergangenen Jahr anspruchsvolle Anstieg gleich zu Beginn der Runde war zwar einige Meter weiter nach vorne verlegt, dafür aber deutlich länger. Und an deren Ende war es noch nicht zu ende. denn nach kurzen flacheren Stück ging es nochmal weiter. Der Rest der Runde verlief auf gewohntem Terrain, schmale Single-Trails, die später in stark wurzeldurchsetzte Pfade übergingen, die letzte längere Steigung, ehe eine fast 1,5-Kilometer lange Bergab-Passage auf wechselnden Untergründen zwar zu Tempo, aber auch zu erhöhter Aufmerksamkeit Einlud. Locker mit Michele quatschend trabte ich die erste Runde. Dann ging es los. Ein Läufer vom LAC Veltins Hochsauerland und ich zogen sofort hinter der Ziellinie in die zweite Runde. Bereits nach wenigen Metern war mir klar, dass ich die „Rakete“ nicht zu halten versuchen brauchte. Dies bestätigte sich am Anstieg, den er hinauf rannte, während ich in gewohnter Bergauf-Manier marschierte. Der Trabversuch im kurzen Flachstück wurde schnell als sinnlos verworfen, den Puls herunter zu bekommen erschien mir wichtiger. Danach konnte ich ein ordentliches Tempo halten. Dennoch gingen weitere Läufer an mir vorbei. Aber wir hatten uns geeinigt, die ersten Runden nicht sofort „an der Kante“ zu laufen, denn am Ende würde abgerechnet werden. Ich beendete die erste Runde in etwa 22 1/2 Minuten, das war schneller als im letzten Jahr. Bereits in der zweiten Runde merke ich deutlich den Anstieg in den Beinen, bergab sammelte ich als guter „Downhill“-Läufer aber einige wieder ein, die mich überholt hatten. Mit knapp unter 23 Minuten beendete ich aber auch diese Runde für meine Verhältnisse ordentlich und übergab an Jan. Der zog dann gleich los. Er würde schneller sein als ich, aber hatte vor 6 Tagen noch in Köln einen Marathon vollgas gelaufen. Wann sich das auswirken würde – man weiß es nicht. Auf einem Bildschirm konnte man stets die Platzierungen der einzelnen Teams und die letzten Rundenzeiten der Staffeln verfolgen. Jan lief tolle Rundenzeiten, danach kam Martin an die Reihe, der auch ein klein wenig schneller unterwegs war als ich. Nach anfänglichen Problemen funktionierte die Zeiterfassung perfekt und wir sahen uns auf Rang drei, allerdings war es zwischen vier Teams ganz eng. Der LAC Veltins Hochsauerland 1, der Vorjahressieger Wetterpower und die Laufschule Dortmund 1 würden harte Konkurrenten werden. Nachdem Rainer als Schlussläufer tolle Rundenzeiten unter zwanzig Minuten herausgelaufen hatte, waren wir auf Rang zwei vorgerückt. Das begann, richtig Spaß zu machen. Mit einer 22er und einer 23er Runde konnte ich ohne Vorbelastung der Eröffnungsrunde nun mal alles geben und übergab wieder auf Jan. Es ging auf 16:30 zu und mein Vortrag „100 Meilen – Der Mauerweglauf“ war auf 17:15 Uhr angesetzt. Kurz danach würde ich bereits wieder dran sein. Diese Vorträge gehören zu Traildorado wie das Salz in die Suppe, aber sie kosten den Vortragenden natürlich Zeit und Energie. Es war nicht einfach, diese in unsere Staffelpläne zu integrieren und wehe, wenn etwas dazwischen kommen sollte. Rainer und Jan waren auch von der Strecke recht angetan und wären gerne mehr als zwei Runden gelaufen. Angesichts der Tatsache, dass unsere Konkurrenz teilweise sogar bereits nach einer Runde wechselte, mahnten Birgit und ich aber zur Vorsicht.
Mein dritter Einsatz begann um 18:37 Uhr, also bereits kurz vor Einbruch der Dunkelheit. Ich wusste, dass ich die erste Runde noch würde relativ flott laufen können, in der zweiten Runde wollte ich mir dann die Stöcke dazu nehmen und es deutlich ruhiger angehen lassen. Verletzen wollte ich mich nun wirklich nicht. Brauchte ich für die erste Runde knapp unter 24 Minuten, so waren es für die zweite im Zwielicht und im trüben Scheiner meiner Stirnlampe schon über 26 Minuten. Die Batterien sollte ich dringend austauschen, was dann in der Nacht auch deutliche Lichtverbesserung brachte. Aber zunächst war mein Einsatz vorbei. Ich setzte mich zu Claudia und Marco ans traditionelle Lagerfeuer und schaufelte mir eilig zwei Teller Nudeln mit pikanter Tomatensauce in den schon recht leeren Magen. Dazu eine Flasche Weizen alkoholfrei. Ich hatte nichts zu Mittag gegessen und mmuss aufpassen, mich hier nicht „leer“ zu laufen. Man ist so im Trott, dass man gerne das Essen vergisst.Dann ging es gegen 19:00 Uhr schon aufs Zimmer, denn ich wollte mich hinegen, bis ich gegen 23:30 zu meinem ersten 90-Minuten Nachteinsatz würde heraus müssen. Wir hatten zwischendurch mit den Jungs besprochen, in jedem Falle in der Dunkelheit bitte vorsichtig zu sein, denn ein Ausfall würde alle anderen sehr belasten, besonders in der Nacht. Claudia und Marco kamen mit auf unser Zimmer, wo sich Rainer schon in Ruhestellung befand. Duschen, ins Bett. Egal, ob man nun würde schlafen können oder nicht, die Ruhe und das Liegen täten in jedem Falle gut. Birgit teilte mit, dass Jan noch flott unterwegs sei und eine vierte Runde laufen wolle. Auch Rainer spielte mit diesem Gedanken.
Wir hatten das Licht gelöscht und versuchten zu ruhen, da kam Birgit herein. „Jan ist umgeknickt, die Sani’s sagen, da ist was kaputt. Ich fahre mit ihm ins Krankenhaus, wir müssen umdisponieren.“ Das war gegen neun Uhr. „Sch…., das war’s!“ kam es spontan aus mir heraus. Rainer sagte nicht viel. Sofort kam aber die Besonnenheit wieder zum Vorschein. Ich besprach mit Rainer, dass wir bis auf Weiteres nun auf 4 Runden umstellen und bitte die 30 Minuten pro Runde einhalten sollten. Damit würden sich die Ruhezeiten von 4 1/2 auf 4 Stunden verkürzen, alles andere wäre kontraproduktiv. Rainer stimmte zu und bekam den Auftrag, Martin nach Ablösung auf unser Zimmer zu beordern, um ihm die neue „Stallorder“ mitzuteilen. Ich schrieb dies Birgit. Schon machte Rainer sich auf zur Ablösung. „Denk dran, 30 Minuten“ gab ich mit auf den Weg. „Ich versuch’s“ grinste er zurück. So schwer sollte es ihm dann gar nicht fallen. An Schlaf war natürlich nicht mehr zu denken. Zwischendurch kam die gute Nachricht, dass nichts kaputt war bei Jan. Wohl eine Bänderdehnung. Dennoch war er damit raus aus dem Rennen. Ich dachte nach. Man könnte nun aufgeben, Jans Laufzeiten auslassen. Das würde uns aber irgendwie wohl alle nicht befriedigen. Es geht letztlich nicht um das Ergebnis, sondern darum, alles versucht zu haben. Wir lagen auf Rang zwei, der Abstand zu Rang vier war nicht groß. Aber die anderen mussten auch erst einmal durch die Nacht kommen. Auch hier wurde von Wadenproblemen bei der „Rakete“ gesprochen. Irgendwie war ich überzeugt, dass es am frühen morgen so schlimm nicht aussehen musste. Abbauen würden alle. Also kämpfen, alles geben. Irgendwie gefällt mir die Aussicht auf einen aussichtslosen Kampf. So ging ich dann wieder gegen 23:15 Uhr hinaus, um Martin abzulösen, der mit jeweils rund 28 Minuten/Runde unterwegs gewesen war. es war noch nicht so kalt, wie befürchtet und ich konnte im Langarm-Shirt statt in der dickeren Laufjacke los. Die Strecke hatte sich deutlich geleert und ich fokussierte mich auf die Eindrücke des nächtlichen Waldes. Das hieß, auf den Lichtkegel und die vier beleuchteten Quadratmeter vor mir auf dem Boden. Ab und an überholte ich einen 24h-Läufer oder eine Läuferin, so deutlich konnte ich das nicht immer ausmachen. Das etwas langsamere Tempo schien zunächst kein Problem. Einmal treffe ich Marco, der noch einige Nachtrunden drehen wollte. Absolvierte ich die erste Runde noch knapp unter 28 Minuten, schaffte ich die nächsten beiden in etwa 30 Minuten. In der vierten Runde musste ich bereits etwas arbeiten. Die Steigung zu Beginn wurde immer anstrengender, aber mit „Runde für Jan“ im Kopf zwang ich mich einletztes Mal zu einer Zeit knapp unter 30 Minuten. Danach schnell ins Zimmer, möglichst leise, was natürlich nicht gelang, die Duschsachen geholt, in Rekordzeit geduscht und hingelegt. Würde ich schlafen können? Es war 2 Uhr am Morgen, um halb 6 wäre ich bereits wieder dran. Ab und an kamen von Birgit Rundenzeiten über die What’s App Gruppe. Man döst, ist kurz vor dem Einschlafen. Dann muss sich Rainer im Bett über mir fertig machen. Es lohnt sich kaum. Ich rechne, was mit meinem Vortrag um 10 Uhr ist. Frühstücken muss ich auch vorher noch. Schon bald ist es 4:55 Uhr und einschlafen lohnt sich nicht mehr. Ich habe also die Nacht überhaupt nicht geschlafen. Egal, ich stehe im 5:15 Uhr am Verpflegungsstand. Eine warme Brühe tut gut, ein paar Stücke Schokokuchen füllen provisorisch das gefühlte Loch in meinem Bauch. Dann kommt Martin. Ich hecke mit Birgit aus, dass ich nun noch 3 Runden laufe und danach wieder auf zwei Runden umgestiegen wird, dann passt das noch mit einem weiteren Einsatz vor meinem Vortrag und dem Frühstück. Rainer kommt, wir weihen ihn kurz ein, dann gehe ich ein letztes Mal in die Dunkelheit. Schon die erste Runde fällt relativ schwer, da ist nicht mehr mit „relativ locker“ 30 Minuten. Ich muss tatsächlich um diese verdammten 30 Minuten kämpfen und diesen Kampf verliere ich von Runde zu Runde. Immer wieder sehe ich nach oben in der Hoffnung, dass das Schwarz der Nacht langsam zu Grau mutieren möge und ich die Baumwipfel über mir wieder erkennen kann. Beim dritten Mal komme ich kaum noch den Berg hoch. Aber es wird endlich heller. Am Ende brauche ich 93 Minuten für meine drei Runden, kann aber sehen, dass wir immer noch dritter sind. Ich fühle mich aber ziemlich am Ende. Das Frühstück sollte es dann mal richten. Nur notdürftig gewaschen und umgezogen geht es zum Frühstück, gemeinsam mit Claudia, Marco und Birgit. Ich genieße erst einmal den heißen Kaffee, dann die Haferflocken und das Honigbrötchen. Das sollte meinen Bauch füllen und mich nicht an den zwei schnellen Runden gleich im Hellen hindern. Zwei schnelle Runden noch, dann müssen Rainer und Martin sehen, wie sie durch die letzten zwei Stunden kommen, vielleicht muss ich noch eine letzte Runde übernehmen. Man wird sehen, was bei wem dann noch geht. Denn nun ist es hell, man kann wieder auf Tempo laufen. Martin läuft sehr gut, dann ist auch schon Rainer dran. Der schafft es tatsächlich, wieder Luft zu Platz 4 und der Laufschule Dortmund zu gewinnen. Dann bin ich an der Reihe. Hoffentlich verpatze ich es nicht völlig. Also mit aller Energie los. Aber der Berg wird nicht mehr mein Freund. Ich zwinge mich, dort wieder zu laufen, wo ich in der Dukelheit noch gegangen bin und schaffe eine 26er Rundenzeit. Birgit ruft mir am VP zu „letzte Runde, Thomas“. Ich verstehe das als endgültig letzte Runde, haben die drei sich also einen Plan ausgeheckt. Also noch einmal alle Kraft einsetzen. Mit MAcht schaffe ich noch eine hohe 25er Rundenzeit, bin völlig am Ende im Ziel. Der dritte Platz ist noch gehalten. Wenn es sein muss, werde ich das nach 90 Minuten Pause noch einmal hinkriegen. Martin und Rainer wollen nun nur noch eine Runde laufen, probieren, ob es besser geht. Es ging nun besser. Auch bei der Konkurrenz waren nun Läufer ausgefallen, auch die waren teilweise nur noch zu Dritt. Obwohl man nicht schadenfroh ist und jedem alle Gesundheit wünscht, freut einen das natürlich doch irgendwo im Hinterstübchen. Ich halte meinen Vortrag über die TorTour de Ruhr. Es war der Lauf des Jahres für mich. Ein Projekt mit zwei Jahren Laufzeit. Ich ermutige meine Zuhörer, warne aber auch vor dem Aufwand und der psychischen Inanspruchnahme. Ganz ehrlich, was kann ich von diesem Jahr denn noch mehr erwarten? Im Glauben, noch einmal auf die Piste zu müssen, beeile ich mich gegen 11 Uhr einzupacken und nach draußen zu gehen. Da überrascht mich Birgit mit der Botschaft, ich bräuchte nun doch nicht mehr. Jan wollte es versuchen. er ist die Runde abspaziert, kann halbwegs laufen und eine 30er Zeit bekäme er hin. Rainer ist durch, hatte aber zuvor mit Martin noch ausreichend Vorsprung auf den 4. Rang herausgelaufen. Auch andere bauen ab. Langsam wird es konkret. Wir können es doch schaffen, den dritten Platz zu halten. Der Kampf scheint sich gelohnt zu haben, alle Planungen waren richtig! Aber man weiß ja nie. Wir würden etwas weniger als 30 Minuten für die letzte Runde haben. bei Gleichstand zählt die Zeit, es zählen nur volle gelaufene Runden. Martin will es noch einmal versuchen. Ich kann diese Zeit nicht mehr garantieren. Als Martin weg ist, beginnt das Warten vor dem Monitor. Eine Runde vor, wann würde der Läufer der Laufschule Dortmund kommen und was hätte der noch auf der Pfanne? Aber er kommt spät genug, Martin kann er nicht mehr einholen. Wir gehen Martin ein Stück entgegen, wollen gemeinsam ins Ziel laufen. Es freut uns auch für Jan, dass er noch mit einer letzten Runde dazu beitragen konnte. So hat auch er einen runden Abschluss. Die Verletzung ist nicht so schlimm, wohl eine leichte Bänderdehnung. Dann kommt Martin, wir laufen gemeinsam ins Ziel und beenden die Nummer knapp 6 Minuten vor dem Ende der 24 Stunden. Gute 238 Kilometer haben wir geschafft. Der zweite Wetterpower hat 246, die Sieger sogar 251. Irgendwie sind wir zu müde zum richtigen Jubeln, aber stolz sind wir wohl alle ein bisschen. Vier echte Typen und eine Frau, die so noch nie zusammen etwas gemacht hatten, sind zu einer Einheit geworden, die füreinander alles gegeben hat. Jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten. Auch und gerade Birgit hat als „Coach“ einen tollen Job gemacht, für sie war es besonders schwer. Ich weiß, wie gerne sie selbst gelaufen wäre.
Packen, duschen, dann zur Siegerehrung. Schließlich sind es „Deutsche Meisterschaften“ und wir sind dritter. Das darf man nicht zu hoch hängen, die Meisterschaft ist inoffiziell und wir sind ganz sicher alle nicht so gut, uns in einer echten Konkurrenz der Besten mit Erfolgsaussichten einreihen zu können. Kirche bleibt im Dorf. Aber eine kleine Freude ist es dann doch. Wir erhalten einen Pokal und jeder eine Medaille, der Pokal geht an Coach Birgit. Wir haben ja die Medaillen. Jubelnd recken wir gemeinsam den Pokal hoch. Er war hart erkämpft gegen starke und sportliche Konkurrenz. Es war eine tolle Veranstaltung, wenngleich ich dieses Mal kaum Zeit hatte, irgend etwas davon zu genießen. Ich bin 64 Kilometer in 24 Stunden gelaufen, was die Beine hergaben. Dasselbe gilt für Martin und Rainer, der sogar noch mehr Runden als wir beide. Und Jan hat, solange er konnte, ordentlich Zeit heraus gelaufen und damit die Basis gelegt, dass wir noch eine Chance hatten. Das wichtigste ist aber die tolle Stimmung und die Professionalität, mit der wir das gemeinsam angegangen sind. Wir waren alle einfach nur Läufer. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. und die verstehen sich offensichtlich ohne viele Worte.
Nächstes Jahr wieder? Ich würde mich freuen. Aber es gäbe ein Problem: Wir sind fünf – und alle wollen laufen!