G1 Grüngürtel Ultra rund um Köln

So langsam rückte unser nächster Testwettkampf näher. Der G1 Grüngürtel-Ultra in Köln. Angefangen hatte es, wie Orga-Chef Thorsten Klenke in seinem launigen „Wort zum Samstag“ vor Beginn des Rennens von der Treppe des Vereinheims von Rot-Weiß Köln  in den Saal verkündete, wie einst Marc Anton von den Stufen des Forum Romanum, mit der Idee, einen kleinen Trainingslauf auf dem Grüngürtel zur Vorbereitung der Kölnpfadler und TorTouris 2018 zu veranstalten. Schnell kam die Idee auf, dem ganzen Wettkampfcharakter zu verleihen. Das Limit sollte bei 25 Teilnehmern liegen. Später bei 50. Dann bei 75. Und am Ende standen 100 Läuferinnen und Läufer auf der Starterliste, die wohl nicht alle am Start waren. Annähernd sollte man jedoch auf deutlich über 8o Teilnehmer gekommen sein. Die Idee, die geraden Startnummern links herum und die ungeraden rechts herum laufen zu lassen, entwickelte seit Ihrer Verkündung einen stärker werdenden Reiz. Wann und wo würden einem die Führenden entgegen kommen? Und wann die Schlusslichter? Auch wenn Claudia und ich das als gemeinsamen Trainingslauf sahen und mit den Entscheidungen nichts zu tun haben würden, eine interessante Vorstellung. Angeblich soll ja der Grüngürtelweg wesentlich besser ausgeschildert sein als der Kölnpfad, nach leidvollen Erfahrungen dort ging ich jedenfalls gut gerüstet in die Domstadt. Den Track hatte ich mir auf meine alte Garmin 310 XT geladen. Diese Funktion beginne ich erst in diesem Jahr zu entdecken, denn ich nutze seit über einem Jahr nun schon die 630er. Aber angesichts des bevorstehenden Orientierungsabiturs bei den Bergischen 5 im April erscheint es mir ratsam, mal mit dieser Funktion ein wenig zu üben. Zusätzlich hatte ich die Wanderkarte vom Kölnpfad in klassischer Papierform im Rucksack, man weiß ja nie.

Es war ziemlich kalt geworden an diesem Samstagmorgen im Februar, das Thermometer in meinem Auto zeigte bei Ankunft in Müngersdorf -6 Grad. Dazu war ein eisiger Nordostwind vorhergesagt, zumindest aber Sonnenschein den ganzen Tag über. Ich entschied mich für lange Hose, CEPS bis zu den Knien darunter und eine weite kurze Laufhose darüber. Oben herum trug ich ein Funktionsunterhemd von Skins (geiles Teil, echt), ein Langarmshirt und eine Softshelljacke. Fleecemütze und zu Beginn Fleece-Buff über Kinn und Hinterkopf rundeten das Outfit ab, dazu natürlich Handschuhe. Ernährungstechnisch stellt der G1 den Läufer vor die Herausforderung, sich selbst zu verpflegen, sieht man vom gut bestückten VP etwa auf der Hälfte der Strecke ab. Das ist für mich ein durchaus wichtiger Punkt, dann bei Strecken über 50 km ist Nahrungszufuhr eminent wichtig. Ich habe die bisherigen Trainingsläufe weitgehend verpflegungsarm gelaufen, auch beim Marathon in Bertlich nur ein weng angewärmtes Gatorate und Gel zu mir genommen. Den G1 möchte ich auch gelfrei laufen, habe mir nur eines zur Sicherheit eingepackt. Dazu 8 Müsli-Riegel im Rucksack, eine Tüte steinlose Datteln in der Trägertasche und eine Flasche Haferschleim mit Zucker und Wasser angerührt. Dazu den guten Vorsatz, regelmäßig zu essen.

So ging es dann mit ein wenig Verspätung zum Start, Thorstens Ausführungen hatten etwas länger gedauert. Auch seine ausdrückliche Anweisung, keine roten Ampeln oder gesperrte Bahnanlagen zu überlaufen, dies würde bei Entdeckung zur Disqualifikation führen. Man sollte sich daran halten und die Genehmigungsfreundlichkeit der gastgebenden Kommune einfach nicht überstrapazieren. Bereits kurz nach dem Start teilte sich das Feld. Wir begaben uns im Uhrzeigersinn rechts herum. Vorbei am Radstadion durch das Gelände der Sporthochschule ging es los. Im Vorgängerradstadion trugen einst Fortuna und der 1.FC Köln während des Umbaus des alten Müngersdorfer Stadions zwischen 1971 und 1975 sogar Bundesligaspiele aus. Dann hatte uns hinter der Aachener Straße endgültg der Grüngürtel in Empfang genommen. Dieser entstand im 19. Jahrhundert, als Preußen im ersten Schritt nach den Napoleonischen Kriegen und im weiteren das Deutsche Reich nach dem Krieg 1870/71 gegen Frankreich Köln zur Festung ausbaute. Innerer und äußerer Grüngürtel bildeten die Festungsrayons. Wikipedia schreibt hierzu:

„Vor den Festungen musste freies Schussfeld geschaffen werden, um den unbestrichenen Raum möglichst zu minimieren. Dies bedeutete ein Freiräumen des Vorgeländes von allen Objekten, die einem Gegner Deckung hätten verschaffen können, und weiter außerhalb die Freilegung von Schussbahnen über die Hauptanmarschwege eines potentiellen Gegners. Gesetzliche Regelungen hierzu wurden relativ spät erlassen. Sie stammen erst aus dem 19. Jahrhundert.“

Das freie Schussfeld führt uns bis an die A1, die man hier in die Trasse des äußeren Glacis hereingebaut hat. Wir laufen noch in einer relativ großen Gruppe und führen nette Gespräche, ab und an ist die Pace unter 6 Min und jemand mahnt zur Tempodisziplin. Claudia und ich wissen, dass wir 6er Pace eine ganze Weile werden laufen können, da durch unser regelmäßiges Training die Grundgeschwindigkeit deutlich erhöht und wir zum selben Ermüdungszeitpunkt wie bei langsamerem Tempo eben schon erheblich weiter gekommen sind. Das Fleece-Buff habe ich hier in der prallen Sonne bereits abgelegt, ansonsten scheint die Kleidung richtig gewählt. In der Ferne sah ich stählerne Aussichtstürme, die hatte ich einmal in einer Steuergelderverschwendungsshow mit Mario Barth gesehen. Ich laufe gut 500 m vor, denn ich wollte einen der Türme besteigen und Foto von oben von der Läuferreihe machen.  Von hier sah man tatsächlich den Dom, aber wieder unten stellte ich fest, dass man den von her auch sah. Ob der freie Blick über die Lärmschutzwand zur A1 in die andere Richtung nun die Baukosten der Türme rechtfertigt, mögen andere entscheiden. Ich fand sie hier jedenfalls überflüssig.

Weiter ging es durch ein Wäldchen und dann durch Bocklemünd,. Schon waren wir in der Nähe des Fühlinger Sees. Der ist aber nur Bestandteil der längeren Kölnpfad-Route, auf die wir hier aber treffen. Kerstin und Robert erzählen, dass sie noch nie weiter als 50 km in Rodgau gelaufen sind und sich  nun in die Ultrawelt hineintasten wollen. Schon hatten wir gute Gesprächsthemen und entspannt ging es Richtung Rhein. Das „Niehler Ei“ wurde durchquert, dann mein Satz „Ich kann schon den Rhein riechen“. „Dat ist Ford, wat so riecht“, schallte es aus ortskundigem Munde von hinten zurück. Dann sehen wir den ganz großen Strom. Hier gönnte ich mir – fast schon wieder zu spät – die ersten Datteln aus meiner Trägertasche. Dann ging es entgegengesetzt zur wohlbekannten Kölnpfad-Route den Rhein entlang zur Mülheimer Brücke.  Früher führte hier eine Schiffsbrücke über den Rhein, die immer wieder für durchfahrende Rheinschifffahrt geöffnet werden musste. In den zwanziger Jahren baute man dann die „unechte Hängebrücke“, es heißt, dass der damalige Oberbürgermeister Adenauer von der Erzkatholischen Zentrumspartei sich hier im zweiten Kölner Brückenstreit der Stimmen der Kommunisten bedient habe, um eine Mehrheit für die Brücke zu erhalten. Nach dem Krieg und der Zerstörung der Brück durch Bomben im Jahre 1944 erstand sie 1951 neu, nun als „echte Hängebrücke“ und wieder eröffnet von Adenauer – diesmal als Bundeskanzler. Über die Rampe geht es hinauf, hier belohnt uns ein Rheinpanorama mit Dom für den Anstieg. Wir sind auf eine größere Gruppe vor uns in den Rheinwiesen aufgelaufen und nun in einem echten Rudel unterwegs, auf dem engen Lauf-/Radweg der Brücke eine echte Herausforderung angesichts entgegenkommender Radfahrer. Auch auf der „Schääl Sick“ genannten rechten Kölner Rheinseite führt uns der G1 die komplette Brückenrampe hinab und dann durch eine Fußgängerzone an die Rheinpromenade. Hier lässt der fiese kalte Wind dann nach, der uns die letzten 3 bis 4 Kilometer am Rhein und auf der Brücke abgekühlt hat. Das heißt, er lässt nicht nach, weht aber von hinten. Und da merkt ihn der Läufer nicht so sehr.

Am Ende der Fußgängerzone weist die Gaststätte „Zur alten Schiffsbrücke“ auf die alte Pontonbrücke hin. Im herrlichen Sonnenschein geht es ein Stück gen Norden bis zum Schloßpark Stammheim. Das gleichnahmige Schloß ist ebenfalls den Bomben des letzten Weltkrieges zum Opfer gefallen, im Park gibt es zahlreiche Kunstobjekte. Als wir uns vom Leinpfad dem Aufstieg zum Park nähern, bemerken wir zahlreiche Fußgänger auf der Deichkrone, die auf ein elektronisches Gerät in der Hand starren. Geo-Caching? Dafür sind es zu viele und oben angekommen sehen wir Menschenmassen, die gebannt auf ihre Handys starren und sich zeitlupenartig fortbewegen. „Was macht Ihr da?“ frage ich ganz dreist. „Pokemon“, lautet die knape Antwort. Hier scheint also eine Arena oder soetwas änliches zu sein, denn auch die Hauptachse des Parks ist voll mit Menschen. Oder eher Smombies? Irgendjemand sagt etwas von „bekloppt“. Aus der Gruppe ertönt sogleich die Anmerkung, 63 km rund um Köln zu laufen sei ja auch irgendwie bekloppt. So fallen wir also hier im Schloßpark nicht weiter auf und können diesen durch das Hauptportal getrost verlassen. Wir haben nun  bereits 28 Kilometer geschafft, noch läuft es gut. Gegessen habe ich nichts mehr, meine Finger kleben immer noch von den Datteln. Ich versuche, etwas Haferschleim zu trinken, muss aber feststellen, dass dieser relativ fest gefroren ist und ich ihn nicht aus der Blechflasche bekomme. Eigene Blödheit. Dann eben nur als Ballst dabei, denn bei den Temperaturen wird er wohl unterwegs kaum auftauen.

In einem Waldstück umlaufen wir das rechtsrheinische Fort XII, die Erdanlagen sind gut erkennbar. 1978 wurde die bis dahin als Wohnung genutzte Kehlkaserne mit Erde bedeckt und bepflanzt, das charakteristische Fünfeck ist dennoch gut zu umlaufen.  Hier kommen uns die führenden Läufer entgegen, die wir fleißig beklatschen. Dann geht es ein Stück entlang der Bundesstraße, hier kommen weitere Läufer entgegen. Zum VP kann es nicht mehr weit sein, wir sind gut unterwegs. Unsere Gruppe fasert aber langsam ein wenig nach hinten aus.

Wir haben den VP direkt an der Lärmschutzwand der A3, windgeschützt und sonnig gelegen, erreicht. Ich trinke eine Flasche FrühSport, esse zwei Stücke Apfel und Banane. Der VP ist reich bestückt, irgendwie esse ich wieder nicht genug. Ein Becher heiße Gemüsebrühe noch, dann mahne ich in gewohnter Hektik zum Aufbruch. Ich bin keiner, der sich zu lange am VP aufhält. Denn man kühlt schnell aus und braucht umso länger, um wieder auf Betriebstemperatur zu kommen. Hier laufen Claudia und ich auch einfach los, Kerstin schließt sich uns an, Ihr Partner Robert kommt noch hinterher. Der Rest der Truppe ist weg. Zu viert geht es auf die zweite Hälfte. Den Kilometer mit VP haben wir knapp unter 12 Minuten bewältigt, wie meine Uhr mir mitteilt. Geht ja. Also weiter durch den Kölner Osten. Es geht vorbei am Winterquartier des Circus Roncalli, dann immer weiter zwischen Gewerbe- und Wohnbebauung und A3. An einer Eisenbahnunterführung verlaufen wir uns fast, aber mein Garmin 310 XT (der mit dem Track) vibriert bei „Kursabweichung“ und so merken wir es schnell. Der Läufer vor uns war schon ein Stück weiter und liegt nun hinter uns. Robert kann Kerstin zwischen einem fahrenden Zug zuwinken und auf die richtige Zuwegung einweisen, dann sind wir wieder zu viert. Über Fort XI laufen wir vor der Kehlkaserne und bemerken es nicht, dann geht es ein ganzes Stück an Hauptverkehrsstraßen entlang. Vorbei an einem interessant gestalteten Strunder Bach, den Kerstin als „Rhein“ auszumachen glaubt (Ihr Frankfurter Wohnsitz und die erzgebirglerische Herkunft geben ihr Entlastung). Auf den Waldpfaden des Zwischenwerks IXa verlaufen wir uns am Vingster Ring wieder kurz, da sich der Weg in spitzem Winkel gabelt, vibriert Garmin erst spät. Also geht es dreihundert Meter retour und dann rechts hinunter. Am Vingster See machen wir wieder eine Gehpause und essen endlich mal wieder etwas. Der Marathon ist fast gelaufen, wir sind immer noch gut in der Zeit und wenn wir laufen, laufen wir 6:15-6:20er Pace. Leider unterbricht hier immer wieder eine Über- oder Unterführung oder ein kurzer Anstieg den Laufrhythmus. Kerstin hat den für eine unerfahrenere Ultarläuferin guten Tip: „Wenn Du an einer Steigung überlegst, ob Du gehen oder laufen sollst, geh!“ Find ich gut und richtig.

Wir laufen noch einmal am Zwischenwerk IXb in gutem Erhaltungszustand in Gremberg vorbei und ich erkläre unseren Begleitern in wenigen Sätzen die Kölner Befestigungsanlagen unter dem Aspekt des Umbaus der Forts mit Erfindung der Brisanzgranate Ende des 19. Jahrhunderts. Dann haben wir die A4 erreicht, die uns ja zur Rodenkirchener Rheinbrücke führen soll. Die ist mental mein nächstes Ziel. Von da ab sind es nur noch 13 oder 14 Kilometer bis zum Ende. Auch wir sind in gutem Erhaltungszustand, wenn auch  nicht in dem einer Brisanzgranate mit Aufschlagzündung. Robert telefoniert mit seiner Bekannten Caro, die uns ab Rodenkirchen den Rest begleiten möchte. Wir erreichen den Rhein südlich der Rodenkirchener Autobahnbrücke und müssen noch ein Stück stromabwärts bis zur Rampe, dann überqueren wir den Rhein. Die Brücke wurde ab 1938 für die Autobahn Köln-Aachen gebaut und – da strategisch wichtig – trotz Kriegsausbruch fertiggestellt. Die Brücke wurde 1941 als „Adolf-Hitler-Brücke“ eingeweiht und stürzte bereits im Januar 1945 nach Bombentreffern wieder ein.  Sie war seinerzeit die erste echte Hängebrücke Deutschlands und damals die größte Hängebrücke Europas. 1954 wurde die wiederaufgebaute Brücke erneut dem Verkehr übergeben, die unzerstörten Pylone konnten weitergenutzt werden. Im Zuge der Verbreiterung der A4 auf 6 Spuren wurde ein weiterer Pylon in identischer Bauweise wie 1938 zwischen 1990 und 1994 angebaut. Zu unterscheiden sind ältere und jüngere Brückenhälfte heute dadurch, dass die ältere Südseite genietet, die Nordseite verschweißt ist. Mit solchen Geschichten lenkt man sich ab. Caro wartet bereits am Eingang zum linksrheinischen äußeren Grüngürtel. Wir laufen die Wälle des Zwischenwerks VIIIb hinauf. Hier befindet sich auch das Festungsmuseum, welches ich gerne einmal besuchen würde. Vor fast genau 100 Jahren entschied sich, dass an diesem Festungsgürtel kein Schuss fallen würde, sondern dieser in eine Grünanlage umgewandelt werden sollte. Hätte die Oberste Heeresleitung um General Gröner sich im Herbst 1918 gegen eine Kapitulation entschieden, als die harten Waffenstillstandsbedingungen von den Alliierten diktiert werden sollten, gab es ernsthafte Bestrebungen, den Krieg trotz des Verlustes von fast ganz Belgiens fortzusetzen. In diesem Falle wäre Köln einer der Eckpfeiler der Reichsverteidigung geworden und wohl spätestens im Februar 1919 Kampfgebiet geworden.  Frische US-amerkanische Truppen hätten gemeinsam mit Briten und Franzosen der Stadt das Schicksal von Verdun bereitet.

Es kam anders, Millionen Menschenleben wurden gerettet und im Versailler Vertrag im Sommer 1919 wurde die Schleifung (Abriss) der Festung Köln verfügt und in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts umgesetzt. Unter OB Adenauer wurden weite Teile des Glacis zu Erholungsanlagen ausgebaut. Und wir dürfen sie durchlaufen, ohne um die Granattrichterlandschaft einen Slalom laufen zu müssen, wie es in den Wädern um Verdun der Fall ist. Auch Caro kann uns hier einiges über den noch zu laufenden Weg erzählen, das ist auch gut, denn ich habe langsam zu kämpfen. Wir sind bereits über 50 km unterwegs und mit einem Male kommen mir die noch zu laufenden 12 oder 13 Kilometer unendlich lang vor. Mir ist auch schon klar, warum, denn ich habe schlicht zu wenig gegessen. Vier oder 5 Datteln, zwei Stücke Apfel, ein Stück Banane, ein Becher Brühe, ein Nuss-Riegel und nun noch einen Energie-Riegel, den ich vom VP mitgenenommen habe. Kein Wunder, dass ich leer bin. Das bekomme ich nun aber auch nicht mehr substituiert. Ich schaffe das jetzt, aber das würde kein Spaß werden. Claudia hatte auch ein kleines Tief, an der Brücke schmerzte ihr Nerv ein wenig. Aber seit Caro da ist, unterhält sie sich bestens und das scheint allen hier gut zu tun. Caro läuft sonst eher Kurzstrecke, für sie sind die verbleibenden 13 km schon ein „Ultra“. Claudia und Caro stellen fest, dass sie sich von der Weihnachtsfeier „Runner’s High“ bereits kennen. Wir kommen an den ersten Weiher. Ich laufe mit Kerstin vorweg und wir entfernen uns immer von den Dreien hinter uns. Das wollen wir nicht, aber Kerstin ist erstaunlich gut drauf. Wohl die Euphorie, dass sie gerade die längste Distanz ihres bisherigen Lebens läuft.

Am Fort VII in Zollstock müssen wir ein Stück die Militärringstraße entlang, da die Bahnlinie den Waldweg unterbricht. Schon haben wir den Rhein-Energie-Sportpark erreicht, wie das traditionsreichen Trainings- und Vereinsgelände des „Eff-Zä“ heute heißt. Auf der Kehlkaserne des Zwischenwerkes VIb des Festungsrings hatte Sülz 07 in den 20er Jahren als einer der Vorgängervereine sein Claubhaus errichtet. Die Kasematten dienen heute noch als Kellerräume im Geißbockheim. 1953 eingeweiht war die Anlage ein Vorbild für alle deutschen Fußballvereine, nach der Erweiterung 1961 hieß in der folgenden Saison der Deutsche Meister 1. FC Köln. Das Franz-Kremer Stadion, hinter dessen Tribüne wir entlanglaufen, dient den Frauen und U23 als Heimspielstätte und fasst über 5000 Zuschauer. „Schon bald das schönste Vereinsgelände der zweiten Liga“, witzele ich im Vorbeilaufen. Damals war der FC das Bayern München Deutschlands.

Am Ende des Geländes erreichen wir den Decksteiner Weiher. 56 Kilometer. Immer noch 7! Es zieht sich gerade wie Kaugummi, aber wir sind nun in dem wohl landschaftlich am schönsten gestalteten Teil des äußeren Grüngürtels. Ein von Kerstin erneut als „Rhein“ identifizierter Kanal wurde im künstlich angelegten See als Ruderstrecke konzipiert, wir überqueren den „Rhein“ auf einer Brücke. Bei schönem Wetter ist hier viel Betrieb. Kerstin und ich liefen voraus, gingen dann immer wieder, um die anderen auflaufen zu lassen. Caro ist das ganze schon zu weit, sie bleibt zurück, schickt uns aber schon mal zum Ziel. Ich halte Ausschau nach den 4 Türmen des Rhein-Energie-Stadions, wo sich unser Ziel befindet. Was bin ich froh, wenn wir da sind. Vorbei am Adenauer Weiher erreichen wir endlich das Stadion. Hinter der Gegentribüne laufen wir auf den Olympiaweg zu, auf dem wir gestartet waren. Alle vier erreichen wir gemeinsam das Ziel im Veranstaltungssaal des KHTC Rot-Weiß. 7 Stunden und 11 Minuten sind eine Pace von 6:45. Das ist für uns ein sehr gutes Ergebnis „aus dem Training heraus“. Unser relativ hohes Anfangstempo auf der ersten Hälfte hat uns nicht „getötet“, meine Probleme zum Ende hin waren meiner gescheiterten Versorgungsstrategie geschuldet und sollen mir eine Lehre sein.

Wir erhalten wunderschöne personalisierte Keramikkacheln im Holzrahmen als Funishermedaille. Das schönste ist aber immer wieder, im Ziel die ankommenden Ultraläufer zu beglückwünschen und am Tisch beim alkoholfreien Bier seine Heldentaten zu diskutieren.

Ein echter Ultra ist mal wieder geschafft, die Leistung durchaus respektabel. Aber ein wenig Unbehagen bleibt vor den 100 Kilometern des Welveraner Hammers am nächsten Samstag.

 

 

 

6 thoughts on “G1 Grüngürtel Ultra rund um Köln

  1. Liebe „Kühnen’s“,
    Ihr seid nicht nur ein beneidenswertes Lauf-Ehepaar sodern könnt auch noch treffend einen Ultralauf in die Herzen der Mitteilnehmer hineinpflanzen. Eure Eindrücke geben 1:1 auch meine Laufempfindungen wieder und dass, obwohl ich mit der geraden Start-Nr. 60 anders herum gelaufen bin. Und dann habe ich mich auch noch in dem Waldstück, parallel zur Neusser Landstraße verlaufen, so kam ich in den „Genuss der Betonoase Köln-Chorweiler“! Ich hab’s mal nachgemessen, es waren exakt 7 KM mehr, also wollte ich wohl glatte 70 KM laufen. Welch ein Zufall dann, es hat Euch und mich dann in der gleichen Zeit (7:10 Std.) unabhängig voneinander ins ersehnte Ziel am Müngersdorfer Stadion getragen. Also nochmals, vielen Dank für Eure ultrafreundlichen Zeilen, auf ein Neues irgendwo in Deutschland! Euer Laufkamerad aus Münster von der DIAKONIE, Heinz-Werner Dellwig

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