Irgendwann hatten Jörg Bunert und die frühere Triathletin Sonja Oberem die Idee, einen Lauf von Düsseldorf nach Duisburg auf die Beine zu stellen. Schön am Rhein entlang, aus dem Herzen Düsseldorfs in den Duisburger Süden. Der Rhein-City Run war als Halbmarathon geboren. Heute sollte seine Premiere sein. Und Claudia und ich mitten drin. Schon früh hatten wir uns diesen Lauf als „Generalprobe“ zum Frankfurt Marathon zwei Wochen später ausgeguckt. Natürlich waren fast alle unsere Lauffreunde aus der Ausdauerschule by Bunert mit am Start, auch sonst kennt man hier natürlich viele Gesichter. Die Strecke sollte schnell, flach und gut zu belaufen sein.
Trainer Roman und auch Schleifer-Sven hatten uns gesagt, wir sollten nicht wesentlich schneller als im geplanten Marathonrenntempo laufen. Dazu seien zwei Wochen davor eine zu kurze Zeitspanne. Das kam mir entgegen. Mein Laufjahr ist ja seit der Tor Tour – sagen wir mal – subobtimal gelaufen. Ich hatte mich zu den falschen Dingen hinreißen lassen, die zwar größtenteils Spaß gebracht hatten, einer guten Marathonform für den Herbst aber eher weniger zusprachen. So kannte ich erst Ende August mit der wirklichen Vorbereitung begeinnen, deren Schwerpunkt weniger auf Grundlage sondern eher auf Wiedergewinnung des verlorenen Tempos liegen musste. Mehr darüber in meinem Blog (http://laufen-in-dortmund.blogspot.de/2016/10/training-fur-frankfurt-der-wahnsinn-hat.html).
Ich hatte mir also vorgenommen, den Lauf in der geplanten „Traumpace“ von 4:38 anzugehen. Vom Ergebnis im Ziel würde ich meine Strategie für Frankfurt ableiten. Eine 1:37:30 sollte hier also herauskommen. Mit Claudia hatte ich mich am Vortag lange über ihren Plan unterhalten. So richtig kam sie zu keinem Ergbnis für sich.
Das Wetter sollte es gut mit uns meinen, bis zun 20 Grad waren bei herrlichem Sonnenschein angesagt. Leider hat der Oktober die Eigenschaft, dass es früh am Morgen meist deutlich kühler ist. Der Start war um 10. Als wir gegen 7:30 Uhr unser Haus verließen, war es aber nicht so schattig, wie befürchtet. Trainingsanzug reichte. Die Startnummer galt als Fahrschein für die U79, die uns vom Ziel in Duisburg direkt zum Start brachte. Der Bahntakt von 15 Minuten erwies sich als ausreichend, auch wenn wir das Leben natürlich in vollen Zügen genießen durften.
Am Start zog ein fieser kühler Wind durch die Rheinwiesen unterhalb der Theodor-Heuss-Brücke, der uns aber die meiste Zeit eher von hinten begleiten würde. Drei LKW warteten auf unsere Gepäckstücke, die Abgabe war mit 15 Minuten vor dem Start gut geregelt. Dennoch wurde es im Singlet zunächst frisch werden, nach wenigen Metern sollte sich das aber gegeben haben. Ich traf noch viele Bekannte, dann konzentrierte ich mich aber auf den Lauf. Mein Freund Marco wollte so um die 1:45 laufen, denn auch er wollte in Frankfurt einen flotten Marathon hinbekommen. Dann ging es los. Entgegen der Zielgeraden des METRO-Group-Marathons in Düsseldorf ging es entlang des Rheins zunächst in die falsche Richtung. Hier hatte ich vor dreienhalb Jahren im Rahmen des Sparkassenmarathons meine Bestzeit um wenige Sekunden versemmelt (http://alt.laufen-in-dortmund.de/stories/2013/ddorf_tk.htm). Aber für negative Gedanken war kein Platz hier, das musste mit wachem Verstand und gutem Mut angegangen werden. Mit 4:29 war der erste Kilometer nicht so viel zu schnell, wie ich befürchtet hatte. Aber es lief sich sehr locker. Kein Vergleich zum Training. Startnummern-Effekt halt. Auch der zweite Kilometer wurde mit 4:28 ähnlich flott. Ich musste bremsen, aber irgendwie gelang es mir nicht. Die ersten vor mir wurden langsamer, ich versuchte mal ein wenig, mit solchen Läufern auf einer Höhe zu bleiben. Erst der vierte Kilometer ging dann mit 4:34 dann mal so langsam in die richtige Richtung. Aber – es waren bereits fast 5 Kilometer gelaufen, Messen und Stadtgebiet Düsseldorf lagen schon hinter mir. Auch das Geläuf, welches teilweise über recht lockeren Feinschotter unter den Bäumen am Rheinufer entlang führte, besserte sich auf glatten Asphalt. Das ist mein liebstes Geläuf. Auch hatte die Uferbepflanzung nun den Blick auf Vater Rhein freigegeben. Laufen entlang eines Flusses – hatte ich das nicht an der Ruhr schon einmal in diesem Jahr? Ich konzentriere mich ganz auf meinen Geist und meinen Körper, spüre die warme Sonne, den Wind von der Seite und meine wie automatisch funktionierenden Beine und Füße. Schritt für Schritt erlauben sie mir eine gute Geschwindigkeit. In der Ferne sehe ich Marco vor mir. Der ist definitiv zu schnell, denn ich bin es im Grunde ja schon. Aber es geht mir gut, nur noch schneller als um die 4:30 darf es nicht werden. Die Aussicht auf die A44-Rheinbrücke erreiche ich mit dem 7 Kilometer Schild. Marco habe ich eingeholt. „Du musst langsamer werden. Sonst jammerst Du wieder in der Festhalle!“ Ich Scherze und hoffe, Marco wird meinen Rat beherzigen. Das hier wäre für ihn eine deutliche Bestzeit im Halbmarathon. Ich gehe schnell vorbei, denn das hier muss mein Lauf sein. Ja, ich laufe anspruchsvolles Tempo. Aber ich muss noch nicht wirklich arbeiten, um dies zu halten. Wie lange wird das so sein? In Frankfurt wäre ich gerade erst die erste Runde durch die City durch und am Sencke-Museum vorbei. Es wären noch 35 Kilometer. Also mal den verfrühten Optimismus herunterfahren. Weiter führt die Strecke vorbei am Flughafen Richtung Kaiserswerth. Immer wieder stehen mal Gruppen von Zuschauern am Streckenrand und feuer uns an. Das tut bei so einem Landschaftslauf auch einmal gut. Obwohl die Landschaft hier wirklich schön ist. Kilometer 10 ist passiert, wenig später rufe ich laut „Bergfest“. Ein wenig Humor kann den Läufern um mich herum gut tun, denn langsam wirken einige angeschlagen. Ob ich auch so wirke? Fühlen tue ich mich ganz gut. Vorbei geht es an der alten Kaiserpfalz Kaiserswerth. Wo einst die Herrscher des Heiligen Römischen Reiches Hof hielten, laufe ich an 1000 Jahre alten Mauern vorbei, die immer noch auf denselben Strom herabblicken. Diese alten Mauern haben schon viel gesehen, was sind da ein paar Läufer und vor allem, was ist angesichts dieser Zeit Pace? Hier steht eine Trommlergruppe und einige Zuschauer, die Euphorie treibt mich zu schnell weiter. Scheinbar endlos zieht sich das bunte Band der Läufer vor mir das lange Rheinufer entlang. Ein tolles Bild in der Herbstsonne. Schon ist der Punkt zu sehen, wo die Strecke den Rhein bei Wittlaer verlassen wird. Das ist aber noch gut 1 oder zwei Kilometer weg. Ich checke mich durch. Die Beine tun ihren Dienst, ich muss nicht bewusst auf deren Tempo achten und nicht kämpfen, um dieses zu halten. Mein Rücken schmerzt ganz leicht, das zieht dann manchmal in den hinteren Oberschenkel. Aber noch nichts bedrohliches. Das sind Nachwehen vom Bergablaufen in der letzten Woche. Mein Verstand lebt nur im Moment, ich wünsche mir noch nicht weitere erledigte Kilometer herbei. Also weiter. Nur jetzt nicht zum schnelleren Tempo verleiten lassen. Wichtig ist Frankfurt. Die Kilometer 13 und 14 habe ich mit um die 4:38 dann mal im Griff. Wird es nun schon langsamer? Das ist erst ein Drittel des Marathon! Nein, danach geht es wieder von alleine zügig weiter. Ich verlasse das Rheinufer und laufe durch Wittlaer. High Society Viertel, aber die Kinder wurden zum Lärm machen an die Strecke geschickt und trommeln auf irgendetwas herum. Das macht Spaß. Am 2. Getränkestand greife ich wieder nur ein Wasser, ein kleiner Schluck genügt. Beim Marathon werde ich wieder alle 9 Kilometer mein Dextro-Gel trinken. Das gibt auch weitere Energie. Es ging ein wenig bergan nach Wittlaer hinein, als es wieder auf die Felder hinaus geht, war der Kilometer dennoch wieder schneller. Und schon waren derer 15 gelaufen. Das geht alles recht schnell, findet mein Kopf und das ist gut so. Auf den Feldern zwischen Duisburg und Düsseldorf geht es in die letzten 6 Kilometer. Zunächst laufe ich auf brauchbarem Asphalt, dann zweigt es aber auf zwei Fahrspuren ab, die teilweise von Schlaglöchern verziert sind. Da es auch noch leicht bergan geht, fällt das Tempo halten nun etwas schwerer. Aber so ein Geläuf wird es am Main nicht geben. Ich merke aber, wie ich dennoch überhole. 4:37 laufe ich hier immerhin, dann geht es in ein Wäldchen. Das Herbstlicht hält die Strecke hier fast in völliger Dunkelheit, zumindest wirkt das auf meine Augen nach dem gleißenden Sonnenlicht der letzten 17 Kilometer so. Ich hätte auch einfach die Sonnenbrille hochschieben können, hatte aber schon vergessen, dass ich eine auf hatte. Laufen macht blöd, sag ich ja immer. Jedenfalls stieg der Weg weiter an, bestand aus einer Mischung aus Schotter, zerbröseltem Asphalt und Schlaglöchern und meine Sorge war nur, nicht noch mit dem Fuß umzuknicken oder so etwas. Endlich ist die alte Düsseldorfer Landstraße erreicht, nach einem kurzen, wohltuenden Stück auf dem glatten Belag des Bürgersteiges biegen wir ab in den Park des Landhauses Milser. Jetzt nur keinen Endspurt anzetteln. Die Läufer um mich herum sind aber größtenteils nun langsamer. Hatte ich im Wäldchen tatsächlich 12 Sekunden auf die Planpace von 4:38 verloren, geht es hier automatisch wieder auf eine 4:29. Das gibt mir Gewissheit. Das Tempo würde ich noch ein ganzes Stück laufen können. „Kein Endspurt, kein Endspurt“, hämmerte ich mir ein. Damit das hier nicht falsch klingt: Das Tempo war schon anspruchsvoll, aber ich war nicht so ermüdet, dass ich langsamer werden oder im Ziel zu Boden sinken müsste. Schon war ich auf dem letzten Kilometer, auch der flog nur so dahin. Die Zielgerade war überraschend dicht von Zuschauern bevölkert, es herrschte eine tolle Athmosphäre. Die letzten 150 Meter konnte ich nicht widerstehen und zog ein wenig an. Dann war ich im Ziel. Kollegen Matthias, Michael und Martin erwarteten mich schon. Meine Uhr zeigte eine 1:35:59. Das war deutlich besser, als geplant. Und es ging mir wirklich gut. Das ganze noch einmal mehr? Nein, das würde natürlich nicht gehen, Aber ich analysierte das Ganze hier bereits in Sekundenschnelle. Das Training und die 64 Kilometer Tempo von vergangener Woche noch in den Beinen, nur zwei Schluck Wasser statt Gel unterwegs. Und eine Pace ganze 6 Sekunden langsamer. Dann würde es in Frankfurt sicher noch 10-12 Kilometer weiter gehen. Mein Entschluss stand fest. Warum es nicht wagen? Ich will die 3:15 versuchen. Das verkündete ich sogleich via Facebook, ehe ich es mir anders überlegen würde.
Es ist nicht sicher, dass das gut geht und es wird verdammt hart werden. Aber eine kleine Chance besteht. Der Marathon wird viel mit dem Kopf gelaufen. Und der funktioniert. Meine Grundlage auf langen Strecken stimmt. Die Tempohärte vielleicht noch nicht. Das wird die Herausforderung. Auf die freue ich mich aber nun, egal wie es ausgehen wird.
Marco kam gut eine Minute hinter mir ins Ziel. Ich gratulierte zur Bestzeit und dazu, seine Frankfurt-Pläne soeben zersägt zu haben. Es war ihm natürlich egal. Es lief und das wollte er genutzt haben.
Meine Claudia kam nach 1:53 mit einem Anflug des gewohnten Lächelns ins Ziel. So ganz glücklich war sie mit ihrem Lauf aber nicht. Zu schnell begonnen, nicht wirklich bremsen können und nun immer noch nicht schlauer mit Blick auf Frankfurt. Aber da bin ich wieder im Thema, das mein Blog noch weiter behandeln wird.
Das verweilen im Zielbereich in der warmen Sonne des Mittags, die vielen Freunde und Bekannte um uns herum, kurz gesagt, es war ein toller Sonntag