… und der Abschied vom VanMan Jochen Heringhaus
Genau ein Jahr ist es her, genau ein Jahr bei ähnlichen Temperaturen wie derzeit. Am 24. Juli musste ich mich einem orthopädischen Eingriff unterziehen, den ersten 6-Std-Lauf in Bönen habe ich daher leider verpasst. Laufen wäre eh nicht möglich, und mein Humpeln meinen Freunden nicht zumutbar gewesen. Und auf Mitleid setzen, ist nicht mein Ding. Aber meine Laufkollegen haben mich nicht vergessen. Die beste Tochter der Welt postete einige Genesungsvideos, über die ich mich sehr gefreut habe, in die Klinik.
Nun, fast exakt ein Jahr später, am 27. Juli, laufe ich wieder. Natürlich nicht meine geliebten Langdistanzen, aber immerhin habe ich schon einige 5er unter die Laufwerkzeuge genommen. Sogar einen Ultra-5er kann ich verbuchen, nämlich beim Lippedammlauf in Lünen, den Michael Petry zu meiner vollen Zufriedenheit vor einigen Wochen veranstaltete. Da merkte man, Michael weiß, wie er Läuferinnen und Läufer gewinnen und begeistern kann. Und nun will ich am und um den Förderturm in Bönen laufen. Dieser ist Ende der 20er Jahre des letzten Jahrhunderts als Förderturm der Zeche Königsborn III/IV von Alfred Fischer in seiner jetzigen Form errichtet worden.
Ich muss nicht erwähnen, daß meine Tochter Anke maßgebliche Antriebskraft für meine Meldung ist. Also, wenn von ihr der Impuls ausgeht, kann ich nicht nein sagen. Hinzu kommt, daß ich aufgrund meiner Verfassung ungern an distanzgebundenen, dafür um so mehr an zeitlich begrenzten Wettkämpfen interessiert bin. Sechs Stunden werde ich sicher nicht durchhalten können. Dazu fehlt mir die nötige Kondition. Aber darum geht es bei diesen „Zeitläufen“ auch gar nicht. So lange wie möglich dabei sein, lautet vielmehr meine Devise.
Ich schnüre mein Bündel und fahre mit Tochter am Samstagmorgen zeitig nach Bönen. Auf der Meldeliste finde ich viele Freunde und Bekannte. Insofern ist die Teilnahme für mich auch aus sozialen Gründen vorteilhaft. Denn ich freue mich riesig, zusammen mit ihnen einen Wettkampf zu bestreiten. Eine kleine Warnlampe brennt im Kopf: Wird sich das Implantat lockern? Werde ich Beschwerden, Schmerzen bekommen?
Es ist schon muckelig warm, die Temperatur wird wie in den letzten Tagen die 30°-Marke locker übertreffen. Ich kenne den Förderturm aus der Distanz, aber jetzt, unmittelbar vor ihm, bin ich sehr erstaunt über Form und Ausmaß, die auch von einem Architekten unserer Zeit stammen könnte.
Michael und sein Team haben bereits die Versorgung bereitgestellt. Alles, was das Läuferherz begehrt, ist auf Tischen und Bänken platziert. Wir werden von Michael sehr herzlich begrüßt. Er freut sich, daß wir mitlaufen möchten.
Viele Freunde und Bekannte sind vor Ort. Sie alle aufzählen erspare ich mir, denn dabei würde ich den einen oder die andere mit Sicherheit vergessen. Nur einen möchte ich, nein muß ich explizit erwähnen. Und der läuft noch nicht einmal mit. Es ist Jochen Heringhaus, der VanMan von Runner Point, der Moderator zahlreicher Laufveranstaltungen bundesweit, der sich heute von Bönen verabschiedet. 3069 mal hat er am Mikrofon gestanden und die LäuferInnen angefeuert, getröstet und gefeiert. Und nun soll Ende November Schluß sein. Er hat das Rentenalter erreicht und möchte sich neuen Aufgaben widmen. Ich habe ihn unzählige Male an den verschiedenen Strecken erlebt und ihn als kompetenten, aufgeschlossenen und überaus sympathischen und humorvollen Typ kennen gelernt. Danke Jochen, Du wirst uns fehlen. Aber heute stehst Du bei uns noch einmal wie gewohnt an Start/Ziel, wirst uns mit Deinem Sachverstand durch die sechs Stunden begleiten.
Michael begrüßt uns, weist auf die Hitze hin und bittet uns, uns nicht zu überschätzen. Er nimmt sich das Recht, LäuferInnen, die allzu stark unter der Wärme leiden und sich zu übernehmen drohen, zum Eigenschutz aus dem Wettkampf zu nehmen. Denn eine Gefährdung der Gesundheit ist bei aller Begeisterung für den Lauf verantwortungslos. Für die kleinen Wehwehchen stehen aber Sanitäter vom Roten Kreuz Bönen mit einem Krankenwagen in Bereitschaft.
Eine Runde ist 1340 Meter lang. Tabellen verraten uns, wie viele Kilometer man nach 1, 2, …10, 15…20, 21 und mehr Runden zurückgelegt hat. Bei HM erhält jeder ein Band, bei Marathon ein weiteres und dann alle 10 Kilometer in jeweils anderer Farbe. Wie bei Zeitläufen üblich, werden die Restmeter nach den sechs Stunden für jeden einzelnen Aktiven ausgezählt. Dazu erhält jeder einen mit Sand gefüllten Luftballon, den er an der Stelle, an der er sich nach genau sechs Stunden befindet, ablegt. Finisher unter dem Zeitlimit erhalten die anhand gelaufenen Rundenzahl errechneten Kilometer angerechnet.
Jochen gibt einige technische Hinweise, beginnt die Minuten runter zu zählen. Das Teilnehmerfeld, bestehend aus ca. 100 Personen, positioniert sich vor der Startlinie. Die Runden werden elektronisch anhand eines an der Startnummer befestigten Chips gezählt.
Pünktlich um 9 Uhr beginnt das Abenteuer. Ich befinde ich am Ende des Feldes, versuche nicht zu überpacen, damit so lange wie möglich mitlaufen kann. Da ich meine Garmin 310 XT Super-High-Tec-GPS-Uhr nach langer Zeit wieder aktiviert habe, kann ich meinen Puls gut überblicken. Das erste Teilstück der Runde verläuft vom Turm über den Parkplatz in Richtung einer zu einer Schule gehörenden Turnhalle, in deren Sozialräumen wir später duschen dürfen. 250 Meter flach, bevor wir nach links den „Berg“ ca. 150 Meter hinauflaufen. Wieder links in Richtung Turm geht es nun richtig zur Sache: Weitere ca. 120 Meter laufen/gehen wir bergan, bevor wir uns hinunter auf Parkplatzniveau stürzen können. Nun führt uns der Kurs in einem weiten Bogen an nachwachsenden Eichen (Vorsicht: Eichenprozessionsspinner) vorbei, bevor uns nach vollendeter Runde Jochen begrüßt. Er ist dank technischer Unterstützung bestens informiert, kennt die Zahl der gelaufenen Runden jedes Aktiven und weiß daher auch, wie viel Kilometer jeder zurückgelegt hat. Ich freue mich über eine lustige, aber auch informative Bemerkung nach jedem Zieldurchlauf.
Es wird warm, es wird heiß. Ich bin mit meiner kleinen Kamera unterwegs, um ein Video zu drehen. Nicht um Frank Konkurrenz zu machen, sondern nur zu meinem privaten Vergnügen. Zeit zum Stehenbleiben, zum Verschnaufen, das tut gut. Und so gewöhne ich mich an einen Rhythmus, der mir gefällt: Laufen, gehen, stehen.
Beim Betrachten der Rundenzeiten stelle ich fest, daß ich trotz Gehpausen und Erholungszeiten am Versorgungsstand sowie der unbarmherzigen Temperatur gut unterwegs bin. Allerdings beginnt mit zunehmender Distanz ein leichtes Zwicken und Ziehen an der OP-Narbe. Nach 11 Runden, das sind 14740 Meter (offiziell) beschließe ich, „meinen“ sechs Stunden Lauf zu beenden. Sofort schießt mir durch den Kopf: Über 14 Kilometer bist Du lange nicht mehr gelaufen. Das gefällt mir, ich bin sehr zufrieden. Ich bedanke mich bei Jochen für die überaus gelungene Moderation.
Die beste Tochter der Welt ist derweil noch auf der Strecke. Klar, sie hat mich einige Male überrundet, ihr gutes Recht, so muß es auch sein. Ihr Ziel: Mindestens HM, um das blaue Bändchen ums Handgelenk zu ergattern. Das gelingt ihr spielend. Aber auch sie genieß die reichhaltige Versorgung und die Gespräche mit unzähligen Freunden und Bekannten.
Die beste Ehefrau der Welt wird sofort informiert. Auch sie ist überrascht über meinen LongJog. Besonders angenehm empfinde ich das Duschen in der Turnhalle der benachbarten Schule. Allerdings werden nicht „Blood, Sweat and Tears“, in Anlehnung an die Pop Gruppe der späten 60er Jahre, abgewaschen. Ausschließlich Schweiß gemischt mit Wasser rinnt in den Abfluss.
Die After Race Party im Turm müssen wir leider frühzeitig beenden, denn ein drohendes Unwetter über dem östliche Dortmund nötigt uns zum zügigen Aufbruch. Dies ist allerdings ein Fehlalarm, Regen ist nach wie vor Wunschdenken.
Ich bedanke mich ausdrücklich bei Michael Klein für die vorzügliche Organisation und die reichhaltige Versorgung. Und unserem Moderator Jochen Heringhaus wünsche ich für seinen (Un)ruhestand alles erdenklich Gute. Vielleicht sieht man sich ja das ein oder andere Mal an irgendeiner Strecke.
Alter Schwede, ich freu mich für Dich (und uns), wenn ich Dich zeitnah mal wieder bei einem Läufchen begleiten darf. Wie wäre es mit dem 6h- Lauf von „Jede Oma zählt“ Ende August am Rubbenbruchsee in Osnabrück?
Super stark Wolfgang…..es ist immer eine Freude Dich auf den Laufveranstaltung zu treffen….sei es neben der Strecke …..aber am liebsten auf der Strecke ….super Bericht liebe Grüße vom Laufburschen…bis bald