Du warst mein erstes Mal. Und es war nicht schön. Nein, es war schrecklich. Du hast mir weh getan. Und ich habe dich dafür gehasst. Ich wollte dich nie wiedersehen. 5 Jahre blieb ich standhaft. Aber ich hörte immer wieder davon, wie schön es für die anderen mit dir war. Wie viele meiner Freunde und Freundinnen mit dir einen wunderschönen Tag verbracht hatten. 2017 hielt ich es nicht mehr aus. Ich wollte es wieder. Mit dir. Ich wollte es besser machen. Dir und mir beweisen, dass ich es besser konnte. Ich hatte meine Freunde mitgebracht, damit sie uns dabei fotografieren konnten. Und sie sollten es auch erleben. Obwohl, sie hatten dich ja alle schon. Mehrfach. Und sie alle waren fortan in dich verliebt. Aus meinem Hass wurde folglich auch Liebe, damals in 2017. Es entstand Vorfreude auf das nächste Mal. Aus Vorfreude wurde Sehnsucht. Aus Sehnsucht wurde Verlangen. Aber du bist gnadenlos. Lässt uns mit unseren Gefühlen immer ein Jahr alleine. Um dann wieder emotional zu explodieren. So wie die letzten 5 Jahre. Ja, auch letztes Jahr. Obwohl du schlecht drauf warst, hattest du uns empfangen, und wir hatten wieder Spaß mit dir. Es war irgendwie wie immer, nur MüMa mal anders…
Und dann war da gestern. Als wäre nix gewesen. Ich war genau so nervös wie vor unserem ersten Mal. Aber dann kam der Moment wo alle Nervosität von mir abfiel… Ich sah Dieter Baumann. So. Da hätten wir den astreinen Cut in der Geschichte. Ab jetzt geht’s im üblichen Ton weiter. Ja, ich weiss, daß ist alles zu lang für Insta, FB und für die meisten Gehirne… aber das war grad nur das Vorspiel…
Da war also der Dieter. Der Mensch, der mich 2011 mit seiner CD-Rom (falls das jemand nicht mehr kennt, bitte googeln) „Laufen Sie mit“ zum Laufen animiert hat. Der Kreis schliesst sich. Um sich wieder zu öffnen.
Jetzt konnte nix mehr schief gehen. Nach dem üblichen Prozedere und Gepose vorm Schloss ging es in den Startblock. Halt warte…weiss eigentlich irgendjemand, was für ein Kamerateam mich da vorher interviewt hat, weil ich vorm Start nen Bier auf hatte? Hab ganz vergessen zu fragen ich hoffe es war nicht RTL2…
So… Startblock… erst mal zu Jürgen und Natti, am Anfang son bisschen Sub4 kann ja nicht verkehrt sein, zumindest bis man aus der Stadt raus ist… super Taktik, so semi trainiert. War aber gut. Getragen von den fantastischen Zuschauern kamen die Überpace-Schmerzen erst nach 12 km. Und dann folgte eine völlig neue MüMa Erkenntnis. ALTER, man kommt ja schon nach 13 km am Weinstand vorbei. Wieso ist mir das in den letzten Jahren entgangen??? Egal… wir waren dann die Privilegierten, die den ersten Riesling beim MüMa kosten durften. Endlich mal Erster beim MüMa. Und wenns nur an der Bar ist. Ab jetzt also besser rausnehmen. Bis zum HM hat das so semi funktioniert, eine Zeit von 2:07 h entspricht nicht wirklich der geplanten Zielzeit von 4:45 h. Also noch mehr auf die Bremse. Aber diese schrecklichen Zuschauer, die immer die Namen rufen, und diese noch schlimmere Motivationsmusik (von Paranoid bis Saufi, Saufi war alles dabei) trieben einem das Blut aus dem Hirn und ab in die Beine.
Nach knapp 3 h waren die 30 km passe und langsam wurd es unrund. Ich schwadronierte darüber, wo ich in welchem Jahr schon ein Bier bekommen hatte. Überall lockten Anwohner mit Gerstensaft. Oder Sekt. Ich war so am Limit, ich hätte sogar Sekt genommen. Aber Jessi meinte, wenn wir jetzt stehen bleiben, dann läuft sie nicht mehr weiter. Ich merkte derweil, wie der pure Wassergehalt in meinem Körper überhand nahm. Wieviel von diesen verrückten VPs kommen denn noch??? Ich hab noch nie soviel Wasser bei einem Marathon getrunken wie dieses Mal. Das kann doch nicht gesund sein. In Folge muss ich erst mal austreten. Ich nehm das nächste Dixi. Direkt davor spielt eine Jazz Kapelle „Wonderful World“. Nie habe ich mehr Erleichterung empfunden. Das sage ich auch danach direkt zu der Band und bedanke mich für die wonderfulle musikalische Untermalung.
Es läuft kurzfristig besser. Es geht nach Gievenbeck und ich melde bei Jessi schon mal an, dass ich die nächste Gartenparty ansteuern werde. Definitiv. Sonst läuft hier gar nix mehr. Wir kommen auf den Mergelkamp. Schade, die Shirts vergangener Veranstaltungen hängen nicht wie sonst über der Straße, aber ich weiß aus den vorherigen Jahren, dass ich jetzt da bin, wo ich hin will. Rechts stehen Anwohner mit Bier. Ich schreie Jessi an das wir stehen bleiben. JETZT! Wie ich im Nachgang von Peter Ziesenis gelernt habe, war es kein Bier, es war Becks. Aber gut. Es war eiskalt. Der Hausherr rennt extra zum Kühlschrank, um Nachschub zu holen. Es waren die wichtigsten 10 min des ganzen Marathons. Auf der anderen Straßenseite wird immer unterm Carport gegrillt, das weiß ich, weil Frank Sommerkamp mir da 2019 schon ne Wurst organisiert hat. Ich renn kurz über die Straße und bevor ich meine Frage noch ausformulieren kann, wird mir schon ein Teller mit 10 Würstchen gereicht. Ich begnüge mich mit zwei Nürnbergern und wechsle wieder auf die Bierseite. Jetzt bin ich seelig. Wir verabschieden uns mit der Drohung nächstes Jahr wieder zu kommen. Gievenbeck, Mergelkamp, ihr seid echt die Geilsten.
Ab jetzt sind es eh nur noch 6 km bis zum Weinstand… mit einem fröhlichen „Da sind wir wieder“ stoßen wir auf den Zieleinlauf an. Jetzt wird die Ernte eingefahren. Wir biegen auf die letzten paar hundert Meter ab… wir sehen den roten Teppich noch nicht, aber wir hören Münster. Ich wollte das festhalten, aber ich konnte nicht. Ich musste das speichern. Nur für mich. Auf meiner Iris. Auf meiner Hirnrinde. Ich wollte kein Handy dabei in der Hand halten. Zu der üblichen Entenpelle verschwimmt mein Augenlicht. Das erste Mal. Nach einhundertundein Marathonziellinienüberquerungen. MüMa du warst meine erste, du warst meine Hunderterste, und du warst 3-mal offiziell dazwischen. Noch 5-mal bei dir sein und ich hab meine goldene Nummer. Andere Mütter haben auch schöne Töchter. Aber nur bei dir bin ich voller Vorfreude. Voller Sehnsucht. Voller Verlangen. Am 01.10. ist Anmeldestart. Ich weiss, was mein Herz will.