Es ist jetzt zwar hell, aber die Temperatur bewegt sich immer noch im einstelligen Bereich. Armer Frank, Du musst Dich mit der Kälte rumplagen. Aber vielleicht ist das immer noch besser als vor zwei Jahren… Einige Freunde wie Arno und Hans, der wiederum mit Bewes als Radbegleitung, werden von uns mit großem Hallo empfangen und sofort verabschiedet.
Wir fahren zum nächsten Treffpunkt. Die Abläufe werden für uns nun zur Routine: Schauen, wann Frank sich nähert, Stühle raus, Versorgungskisten aufgestellt, aufmunternde Worte ausdenken und auswendig lernen, das Übliche eben, wenn Du einen Ultraläufer betreust. Etwa 200 Meter vor dem VP 153 am Kemnader See finden wir einen günstigen Parkplatz. Am Himmelfahrtstag waren die Plätze rappelvoll, und Inliner, Läufer und Radfahrer bestimmten den Weg. Heute ist es viel zu kalt für die Freizeitsportler, nur die Harten kommen…
Die Strecke macht hier eine Biegung, wir können die Läufer schon weit sehen. Und Frank ist an seiner gelben Jacke, die leicht schwarz durchsetzt ist!, gut zu erkennen. Uwe und ich gönnen uns ein erstes Frühstück, leckere Butterbrote, Brötchen und Schinkenwürste kommen zum Vorschein. Dazu Cola, Saft und Wasser. Ich muss dazu bemerken, auch wir sind aufgeregt. Wir kennen das Gefühl des Begleiters (noch) nicht, deshalb leiden wir mit Frank. Das ist anders als selbst laufen, aber m. E. nicht minder schlimm.
Frank sieht beim Eintreffen erstaunlich fit aus. Alter Schwede, wo nimmt er bloß die Kraft und die Kondition her?
Ich glaube, er hat nun die richtigen Bewegungsabläufe gefunden. Ökonomisch laufen heißt das Zauberwort. Übersetzt für uns bedeutet dies, langsam laufen und hin und wieder Gehpausen einlegen.
Inzwischen hat es begonnen zu regnen. Auch das noch, zur Kälte kommt die Nässe. Während unserer Probefahrt schien die Sonne und wir bemitleideten die Läufer schon im Vorhinein wegen der Wärme. Aber die jetzigen Rahmenbedingungen sind nicht weniger schlimm. Fragt sich nur, wer dieses Wetter gut verträgt. Und Frank scheint einer der Typen zu sein, dem dieses Wetter zusagt. Am Landgasthaus „Stiepeler Hof“, das sich mehr als Pferdehof entpuppt, parkt Uwe unter einer Brücke, so dass Frank und wir während der Versorgung einigermaßen geschützt sind. Neben uns haben noch weitere Begleitteams den Schutz der Brücke gesucht. Es werden viele Vorbereitungen zur Versorgung getroffen, Warten ist angesagt. Mit zunehmender Distanz reduziert sich auch das Lauftempo, ist nun mal so. Irgendwann werden sich die Schützlinge einfinden.
Frank ist natürlich unruhig, aufgekratzt, versucht, die Nervosität zu überlagern. Er zwingt sich, sein selbstgemischtes Getränk zu trinken und Salzgebäck zu knabbern. Zusätzlich wird der Trinkrucksack nachgefüllt, denn ab und zu mal dran nuckeln ist nicht verkehrt. Und wir vergessen nicht, die Laufuhr immer wieder anzuschließen und nachzuladen.
Die schützende Brücke verlassend, fahren wir den Campingplatz in Hattingen an. Eine etwas forsche und resolute Frau, vermutlich die Campingplatzbetreiberin will wissen, was wir hier, in einem den Campern vorbehaltenen Raum suchen. Warum wir hier parken. Ob wir Läufer betreuen. Als wir dies bejahen, erlaubt sie uns „ausnahmsweise“ für eine kurze Zeit zu parken. Dies sagen wir natürlich zu, ohne zu wissen, wann Frank kommt. Ist ja auch egal, der Begriff kurze Zeit ist dehnbar und nicht durch festgelegte Fristen determiniert. Die Frau nervt mich wieder, als sie mich während meines Ganges zum Ruhrtalradweg fragt, ob ich etwas wünsche, ich hätte doch bei ihr geschellt (das Wohnhaus befindet sich in unmittelbarer Nähe zu den Wohnwagen bzw. Wohnmobilen.) Die Frau irritiert mich. Ich mache ihr klar, dass ich nicht geschellt habe, auch keine Veranlassung dazu habe und ich lediglich auf meinen Freund warte, der wohl in Kürze herläuft. Und dann hätte sie ihr Reich wieder für sich. Um der irrwitzigen Situation zu entgehen, laufe ich Frank entgegen, während Uwe wieder das Büfett anrichtet. Frank fühlt sich wohl bei uns, würde er uns sonst immer wieder „besuchen“?
Der Platz ist gut frequentiert, aber ich kann mir beileibe nicht vorstellen, hier im Freien zu sitzen und zu frühstücken. Überhaupt, Camping ist nicht mein Ding, seitdem ich zu Bundeswehrzeiten öfter das Vergnügen hatte. Aber das ist ein anderes Thema.
Während der Fahrt zum nächsten VP lernt Uwe Musik von The Small Face, The Zombies, The Turtle und Manfred Mann kennen. Ob es ihm gefällt? Diplomatisch beantwortet er die Frage mit einem Lächeln.
Ganz einfach: Der VP 174 ist von uns aus gesehen in Sichtweite auf der anderen Seite einer Eisenbahn- und Ruhrbrücke in Dahlhausen. Wie gesagt, ganz einfach, aber blöderweise ist die Brücke wegen Bauarbeiten gesperrt. Das war sie auch schon bei unserem Probedurchgang am Himmelfahrtstag. Vielleicht ist es heute einfach, auf die andere Seite zu wechseln, in dem wir einen anderen Weg suchen. Wir treffen auf die bereits bekannte U48, die uns vor einigen Tagen schon verzweifeln ließ. Sie führt uns unwiderruflich zum x-ten Mal in die Dr.-C.-Otto-Straße in Dahlhausen. Uwe und ich rätseln, wer wohl hinter diesem Namen steckt, denn wir lesen ihn nicht nur, sondern hören ihn auch aus dem Navi. Der Name beschäftigt uns seit der Probefahrt, und das Rätsel soll nun gelöst werden.
Wikipedia: Am 1. August 1872 gründete Carlos Otto zusammen mit Partnern vor dem Amtsgericht in Hattingen die Firma Dr. C. Otto & Comp. in Dahlhausen bei Bochum. Nach vielen Änderungen des Geschäftsmodels stellt man heute Feuerfesterzeugnisse her.
Aber heute nutzen uns dies Info nichts. Uwe sucht verzweifelt eine andere Möglichkeit, um die Brücke zu überqueren, keine Chance ohne kilometerlangen Umweg. Der Übergang ist also weiterhin gesperrt, und es beginnt zu regnen, nachdem es über einen längeren Zeitraum trocken war. Ja, sogar die Sonne blickte hinter den Wolken hervor und betrachtete kopfschüttelnd das Treiben auf dem Ruhrtalweg
Und was machen die Supporter? Sie packen das vermeintlich Nötige an Speis und Trank zusammen und tragen es über die Brücke (Fußgänger und Radler dürfen passieren) zum VP. Der ist übrigens üppig ausgestattet, Bratwurst und Pizza liegen verführerisch in der Auslage, dazu Erdinger alkoholfrei sowie diverse Säfte und Wasser.
Als Frank erscheint, hört der Regen auf, die Sonne belohnt ihn für die bisher gelaufenen ca. 115 Kilometer.
Während ich Uwe mit Musik von The Swinging Blue Jeans, The Shadows und The Herd füttere, steuern wir als nächstes Ziel das „Bootshaus Ruhreck“, welches, oh Wunder, nur durch den Laufweg getrennt, direkt am Wasser liegt. Ein freundlicher Helfer eines anderen Läufers bietet uns frische Erdbeeren an, keine Freilandware, wie betont, sondern Treibhaus. Uns schmecken sie, sind sie doch eine kleine Abwechslung zu Butterbrot und Cola. Oberhalb der Laufstrecke parkend, muten wir Frank eine kleine Steigung, eine Rampe zu. Mühelos, erstaunlich leicht, läuft er sie hinauf zum Auto, an dem das leckere Büfett wieder auf ihn wartet. Er muss sich nun Getränk und leichte Nahrung förmlich hineinzwingen, der Magen mag nicht, aber der Körper will, ja braucht Energie. Denn vor ihm liegen noch schlappe 50 Kilometer.
Tja, nun überlassen wir Frank dem nächsten Team, das Büfett braucht nicht eröffnet zu werden, Frank will bis zum See durchlaufen.
Am See hat Frank nur noch einen Marathon, eine Kurzstrecke für eine Ultraläufer wie ihn. Team 3 wird sich nun liebevoll um ihn kümmern, wir wissen ihn in guten Händen.
Das wars eigentlich, unsere Aufgabe ist beendet, Auftrag erfüllt. Wir hoffen, Frank ist mit unserer „Leistung“ zufrieden. Gerne würden wir ihn auch weiterhin unterstützen, wenn er wieder an einem solchen Wahnsinnslauf teilnimmt.
Bleibt mir noch zu erwähnen, dass Uwe auf der Rückfahrt Bekanntschaft mit Desmond Dekker, Joey Dee and the Starlighters, Chris Andrews und einigen anderen Popgrößen der 60er macht. Ob es ihm gefällt, hat er mir nicht so richtig gesagt. Aber eins weiß ich gewiß: Meine CDs waren mal wieder an der frischen Luft.
Lieber Wolfgang,
ihr ward einfach klasse und habt mich sehr gut umsorgt. Vielen Dank dafür. Und über Dein Angebot brauche ich nicht lange nachzudenken. In zwei Jahren ist ja wieder Pfingsten. 😉
LG Frank