Frühmorgens eiere ich durch den Eventbereich des Hannover Marathons. Es ist Sonntag, 8. April. „Eiere“ ist das richtige Wort, denn ich bekomme kaum einen runden Schritt vor den anderen. Zusammen mit Andrea möchte ich heute hier den Marathon laufen. Aber ich bin gestern beim PUM gestartet. Beim Piesberg Ultramarathon in Osnabrück. Diesen gestrigen Lauftag könnt ihr euch besser im Video anschauen. Bilder sagen mehr als 1000 Worte. 🙂
Heute habe ich echt schwere Beine. Ich bin ja öfter schon mal direkt hintereinander gestartet, aber der PUM gestern war schon ein Paket. Den merke ich noch. Vor allem habe ich gestern Abend gar nicht mehr so richtig esstechnisch nachgearbeitet. Und das Frühstück heute Morgen war auch eher karg. Ich habe ein ganz fremdes Körpergefühl. So als wäre das gar nicht mein Körper. Alles fühlt sich fremd und eben komisch an. Ich kann das ganz schlecht in Worte fassen.
Wir schauen uns im Startbereich um und entdecken riesige, blaue Tafeln, auf denen die Namen der Teilnehmer geschrieben sind. Wir finden uns auf ihnen auch nach kurzer Suche und sind stolz, ein Teil dieser großen Veranstaltung zu sein. Dann stehen wir auch schon im Startfeld. Für Andrea ist es der erste große Stadtmarathon und dadurch etwas Besonderes. Die Marathondistanz hat sie ja bereits erfolgreich geschafft. Beim 6h-Lauf Rheine sogar noch mehr. Aber bei so einem Marathon-Großevent war sie bisher noch nicht. Und so warten wir ein paar Minuten auf den Start. Ein Countdown und los geht’s. Der Marathon beginnt.
Nach ein paar Schritten merke ich meine beiden Oberschenkel und vor allem meine rechte Wade. Der PUM hat doch seine Spuren hinterlassen. Aber was mich nach wie vor mehr stört, ist mein fremdartiges Körpergefühl. Damit komme ich nicht wirklich klar und ich weiß nicht, was das bedeuten soll. Aber was soll’s? Wir laufen. Und gar nicht schlecht. Für uns ist es ein gutes Tempo und für mich nach dem gestrigen Tag sowieso. Nur das Gefühl passt nicht. Ist es die Wärme heute? Die Sonne scheint. Endlich. Und wir wollen uns gar nicht darüber beschweren.
Nach einigen Kilometern bei bester Stimmung auf der Strecke und am Streckenrand werden die Beine langsam wieder runder. Den immer noch vorhandenen Schmerz kann ich ganz gut wegdrücken. Aber… das komische Körpergefühl ist nach wie vor vorhanden und ich stelle fest, dass mir langsam schon der Dampf fehlt. Wir haben noch keine 10 km auf dem Tacho und ich schwächle schon? Das gibt es nicht. Ich kämpfe mich weiter über die Strecke. Andrea läuft neben mir her und beobachtet mich. Irgendwann fragt sie mich, ob alles in Ordnung sei. Ich bejahe ihre Frage, doch sie glaubt mir nicht. Es steht wohl doch in meinem Gesicht, dass ich gerade Schwierigkeiten mit mir habe (obwohl ich ein total cooles Pokerface aufgesetzt habe). Andrea gibt mir aus ihrem Proviant drei Weingummis und etwas Salz. Außerdem halten wir an jedem VP an und trinken ausreichend Flüssiges, was mir jedes Mal sehr gut tut.
So arbeiten wir uns über die nächsten Kilometer. Wobei ich das Gefühl habe, dass ich hier der einzige bin, der von uns beiden arbeiten muss. Bei Andrea sieht das Laufen nach wie vor richtig locker aus. So nach und nach entdecken wir auch noch weitere Pummelanten, die gestern genau wie ich in Osnabrück gelaufen sind. An den bunten Shirts erkennen wir uns sofort und klatschen uns gegenseitig ab. Immer mit der Frage: „Wie geht’s deinen Beinen?“ 😉
Mit diesem fremden Körper laufe ich so bis Kilometer 25. Andrea sorgt sich langsam um mich und fragt mich zwischendurch sogar, ob ich nicht lieber abbrechen möchte. Die Gesundheit ginge schließlich vor. Aber jetzt endlich fühle ich mich auf einmal besser. Ich bekomme Energie. Woher auch immer. Wahrscheinlich aus meinen Fettreserven. Ist der Fettstoffwechsel nun endlich richtig angesprungen? Wahrscheinlich war das etwas spartanische Abendessen gestern und mein karges Frühstück heute Morgen einfach nicht genug. Aber nun läuft es plötzlich. Den Beinschmerz kann ich immer noch gut verdrücken. Und ich laufe wieder mit meinem Körper. Ich bin endlich wieder da! Jetzt bei Kilometer 25. Unglaublich.
So laufen wir weiter. Für Andrea und jetzt auch für mich in einem guten Tempo. Weiterhin halten wir an jedem VP an, trinken etwas und nehmen Salz zu uns. Es läuft. So gut, dass wir ab jetzt jede Menge Läuferinnen und Läufer überholen. Bestimmt hunderte. Das Überholen motiviert uns noch weiter und wir genießen das Laufen bis zum guten Schluss. Nach 4:31 Stunden und ein paar Sekunden sind wir glücklich im Ziel. Andrea hat ihren ersten Stadtmarathon gefinisht. Und ich habe den Doppeldecker „überlebt“. 😉 Unglaublicherweise habe ich mich heute auf den letzten Kilometern am besten gefühlt. So ganz laut darf man das wohl nicht sagen, glaube ich. 🙂
Wir genießen anschließend noch ein wenig die tolle Stimmung und sitzen in der Sonne. Es ist einfach schön in Hannover. Das ganze Laufwochenende. 🙂
…trotz dieser beiden Tage super Zeiten….einfach tolle Leistung und bei deinem Bericht kommt FRAU noch einmal zu Bewusstsein, was der Mensch doch so alles vollbringen kann
Du bist das beste Beispiel, Brigitte. Alle Achtung. Daumen hoch. 🙂