… kann ich jetzt nicht mehr singen.
Meine Tochter Marie arbeitet zurzeit für ein Jahr als Aupair in Boston. Passend zu ihrem Geburtstag bekomme ich Urlaub und will sie für neun Tage besuchen. Marie plant schon Monate vorher unsere gemeinsame Zeit in den USA mit einem Road Trip an der Ostküste entlang. Als ich meinen Koffer packe, kommt natürlich ein Satz Laufkleidung mit hinein. Was muss, das muss.
In ein paar Wochen startet die TorTour de Ruhr und für mich wird die 100-Meilen-Distanz der längste bisher absolvierte Lauf. Seit Dezember laufe ich dafür fast an jedem Wochenende einen „Langen“ und eigentlich passt der USA-Urlaub nicht so ganz in meinen Laufplan. Aber da müssen mal Prioritäten gesetzt werden. Vielleicht tut mir die Pause auch einfach mal gut.
Nach meiner Ankunft in den USA verbringen wir zuerst anderthalb Tage in Boston und ich bin erschlagen von der Stadt und allem Neuen, was ich erlebe. Was etwas an meiner Läuferseele brennt, ist, dass hier morgen der Boston Marathon stattfindet und dass die ganze Stadt sich gerade auf dieses Mega-Event vorbereitet. Überall „riecht“ es nach Marathon. Aber wir sehen das positiv: Es sind viele Straßen schon gesperrt, die wir jetzt zu Fuß begehen können, wodurch wir ganz entspannt ohne Autoverkehr durch Downtown kommen.
Danach fahren wir mit dem Auto nach New York und hier ist alles noch unwirklicher und gewaltiger. Die Stadt erschlägt mich und ich kann es gar nicht verarbeiten, dass wir gerade wirklich in New York sind. Wir besichtigen ganz viele Dinge, die man einfach gesehen haben muss und für die hier der Platz nicht reicht. Die abendliche Aussicht vom „Top of the Rock“ ist auf jeden Fall ganz besonders und den Ground Zero muss man erstmal verarbeiten.
Unser Hotel liegt in der Nähe des Central Parks und da ich am nächsten Morgen bedingt durch den Jetlag früh wach bin, entschließe ich mich einfach mal ein paar Kilometer durch den Central Park zu laufen. Als ich unser Hotel verlasse, treffe ich direkt auf einen deutschen Läufer: Christian aus Cuxhaven. Wir traben gemeinsam zum Central Park und drehen dort unsere Runden. Und wir staunen darüber, was hier morgens an einem Wochentag los ist. Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glauben, das wäre eine Laufveranstaltung hier. Ohne Ende Läuferinnen und Läufer laufen durch den Park. Alle in der gleichen Richtung, was uns erst irritiert. Dann entdecken wir Schilder, auf denen die Laufrichtung vorgegeben ist. Um der Unfallgefahr bei Gegenverkehr vorzubeugen, sollen alle in der gleichen Richtung laufen. Und so gut wie alle halten sich daran.
Vom Dach des Rockefeller Centers habe ich den Park gestern Abend schon von oben gesehen, aber hier nun selbst zu laufen, erschlägt mich. So groß habe ich ihn mir nicht annähernd vorgestellt. Und als wir schließlich wieder am Hotel ankommen, habe ich 11 km auf meiner Uhr. Und den Park habe ich nicht annähernd komplett erlaufen.
Einen Tag später sind wir in Philadelphia und da ich wieder bereits früh wach bin, laufe ich auch hier meine Morgenrunde. In der Nähe des Hotels finde ich den Franklin Delano Roosevelt Park. Auch hier ist laufend richtig was los und mir wird klar, dass ich wohl ein falsches Bild von den US-Amerikanern hatte. Irgendwie treiben alle Sport. Überall liegen Leute herum und machen Liegestütze oder Klappmesser. Und viele Läufer und Walker sind hier unterwegs. Einige mit Personal Coachs an der Seite, die sie anfeuern und dazu animieren, verschiedene Übungen, Treppenläufe oder sonstige Spielchen zu unternehmen. Manche haben sogar komplette Hantelsätze mit in den Park geschleppt und stemmen nun auf einer Wiese Gewichte. 7 km bin ich schließlich gelaufen. Aber ich war dafür viel länger unterwegs, da ich oft stehen geblieben bin und das Treiben um mich herum beobachtet habe.
Nach dem kargen Frühstück fahren wir dann zum Kunstmuseum. Am Hintereingang findet man das Highlight Philadelphias: die Rockytreppe und die Statue aus Rocky III. Mir wird flau im Magen vor Aufregung. Der erste Rocky kam 1976 ins Kino. Da war ich 13 Jahre alt und seit dem bin ich Fan von Rocky Balboa. Ich kenne alle Filme auswendig und ein Traum von mir war es, einmal diese Treppe hinauf zu laufen und oben die Arme hoch zu reißen. Und das erfülle ich mir nun. Ich renne runter und wieder rauf, oben hüpfe ich mit hochgerissenen Armen herum und freue mich wie ein Kind. Marie macht das gleiche und um uns herum noch hunderte anderer Touristen. Manche sind in grauem Jogginganzug gekleidet, mit Strickmütze auf dem Kopf und weißen Bandagen an den Händen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich das auch alles im Koffer, aber ich habe mich nicht getraut, das anzuziehen. Wenn ich gewusst hätte, dass ich hier überhaupt nicht auffalle, wäre ich mutiger gewesen. 😉
Nach zig Fotos sitzen wir noch lange auf der Treppe und genießen die Atmosphäre und die tolle Aussicht auf die Skyline Philadelphias. Wie wir später erfahren, ist die Filmfigur Rocky Balboa der Held Philadelphias. Seine Statue steht immer noch unten seitlich vor der Treppe. Auf dem Hauptfriedhof steht immer noch der für Rocky VI aufgestellte Grabstein von Adrian Balboa. Und die Einwohner Philadelphias haben dafür gesorgt, dass die Statue an der Treppe stehen bleibt. Nach einer ausgiebigen Stadtbesichtigung gehen wir schließlich noch auf Rocky-Tour und suchen Drehorte. Rockys Haus, Mickeys Boxhalle und den Tiershop finden wir. Und als Highlight essen wir zu Abend im „Adrians“, Rockys Restaurant aus Rocky VI und VII, was unerwartet zu einem weiteren Höhepunkt unserer Tour wird. Das Restaurant sieht absolut aus wie im Film. Und jeder Kellner, der hier arbeitet, muss eine Ausbildung als Opernsänger haben, was uns im 15-Minuten-Takt präsentiert wird. Hammer.
Die nächste Station unseres Road Trips ist Washington. Und auch hier drehe ich abends im Dunklen eine Runde durch die Stadt, vorbei an den berühmten Sehenswürdigkeiten. Vorbei am weißen Haus, am Washington Monument und am Abraham Lincoln Memorial. Und auch hier bekomme ich 10 km mit einigen Höhenmetern zusammen.
Das Laufen stand in dieser Woche absolut im Hintergrund und war nur Lückenfüller. Die vier Großstädte an der Ostküste der USA sind jede für sich ganz besonders und man könnte Wochen damit verbringen, sie noch viel ausgiebiger zu besuchen. Aber dafür reichte unsere Zeit nicht. Einen Eindruck haben wir aber bekommen und wir haben sehr viel mehr gesehen und erlebt, als ich jetzt hier in diesem „Lauf“bericht beschreibe.
Jetzt bin ich wieder zu Hause und muss den nächsten Jetlag verarbeiten. Und dann will ich mich schleunigst wieder in den TorTour-Modus bringen. Lange ist es nicht mehr, dann wird die Ruhr erlaufen. Hoffentlich dieses Mal bis zum Orangum in Duisburg.
Sehr cool! New York hat mich auch erschlagen letztes Jahr, aber Boston ist superschön – und Laufen geht doch überall… 🙂
Gute Jetlag-Verarbeitung und Enspurt zur TorTour!!!